TITANIC-WORLD
Gegendarstellung aus. Mit dieser Aktion verschaffte sie sich und der TITANIC-WORLD eine Atempause und sie konnte nur hoffen und beten, dass Mrs.-Unterste-Schublade-Keegan zukünftig auf weitere Lügen verzichten würde. Dennoch war ihre Laune, gleich dem Thermometer, auf dem Gefrierpunkt angelangt.
„Kann es nicht doch der Vater getan haben“, riss Claires Stimme sie aus den Gedanken. „Ich meine, trotz der widersprüchlichen Beweislage?“
„Claire, wie oft muss ich mich noch wiederholen? Die Beweise widersprechen sich nicht.“ Cecilia sah ihre Assistentin genervt an. In einem Tonfall, der nur schlecht ihre Erbostheit verbarg, sprach sie weiter. „Ich hab‘ den ganzen gestrigen Abend mit Inspektor Parker verbracht. Wir haben uns die Überwachungs-CD immer wieder angesehen und das Bildmaterial mit den Protokollen der Zeugenaussagen verglichen. Da stimmt alles überein – bis auf die klitzekleine Tatsache, dass niemand den Mann an der Wendeltreppe gesehen hat!“ Sie fuhr sich gereizt mit der Hand über die Augen und erklärte weiter: „Es gibt aber mindestens ein dutzend Leute, die den Monolog des Kleinen gehört haben. Daran hat natürlich keiner etwas Merkwürdiges gefunden, sondern nur gedacht, der spielt mit seinem Eisbären. Die meisten konnten sich sogar noch an einzelne Sätze erinnern, weil das arme Kerlchen sprachlich voll unterwickelt war. – Tuck, Polar. Da, ein Heizmann. Tomm, fag tu – will tu tinken, Heizmann? – Eine pensionierte Grundschullehrerin aus Norfolk hat die gesamte Szene, mehr oder minder aus beruflichem Interesse, beobachtet. Sie sagte aus, dass Andy bei seinem Spiel, unbewusst in eine Mutter- oder Vaterrolle geschlüpft sei, die genau dem Gegenteil seiner erlebten Realität entspräche. Er habe seinem Eisbären in einem sehr fürsorglichen Tonfall erklärt, dass die Heizmänner viel trinken müssen, weil es ta unten bei Kessels so warm sei und der Kleine wäre den Tränen nahe gewesen, als er den Wasserspender nicht erreichen konnte, um dem Heizmann Wasser zu geben.“
„Hat diese Lehrerin denn da keinen, wie soll ich sagen, Verdacht geschöpft“, unterbrach Claire die Ausführungen ihrer Chefin.
Cecilia schüttelte den Kopf. „Nein. Sie erklärte der Polizei, dass Kinder, die aus asozialen Verhältnissen stammen, vielfach eine reichere, oft realere Phantasie – sie nannte es Wunschdenken – besitzen, als ihre Artgenossen, die in normalen Familienaufwachsen. Bei Andy hätte sie schon aufgrund seiner schlechten Sprachentwicklung gewusst, woher er kommt. Als kurz darauf eine größere Anzahl von Besuchern in die Hall of Silence strömte, habe sie den Jungen kurz aus den Augen verloren. Nach dem sie wieder freie Sicht auf die Wendeltreppe hatte, sei ihr natürlich sofort aufgefallen, dass er nicht mehr da war. Aber sie habe da lediglich gedacht, einer seiner Angehörigen hätte ihn, na ja, quasi abgeholt.“
Eine Weile erwiderte Claire nichts. Schließlich sagte sie nur leise: „Also, haben wir doch wieder einen Fall von paranormaler Aktivität.“
„So ist es.“
„Hast du eine Ahnung, wer dieser Heizer gewesen sein könnte?“ Sie sah die Titanic-Historikerin interessiert an. Doch Cecilia schüttelte den Kopf und antwortete: „Ich weiß, worauf du hinaus willst. – Doch es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, wenn ich versuchen wollte, herauszufinden, wer dieser Geist gewesen sein könnte. Wenigstens die Hälfte aller Heizer und Trimmer, die bei dem Unglück ihr Leben verloren haben, hatten kleine Kinder.“
„Hast du noch einmal mit Dr. Kirby gesprochen?“
Wiederum schüttelte sie den Kopf. „Ich nicht, aber Jonathan hat angerufen. Er wollte wissen, ob Dr. Kirby schon jemals von solch‘ einem Fall gehört hat.“
Claire sah ihre Chefin einen Augenblick überrascht an. Es schien Cecilia nicht aufgefallen zu sein, dass sie den Inspektor sehr vertraulich beim Vornamen genannt hatte. Im Stillen fragte sich Claire jetzt aber, ob der gestrige Abend wirklich rein beruflicher Natur gewesen war; die vertraute Anrede ließ einen etwas anderen Schluss zu. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und fragte nur: „Und? Ist so etwas schon Mal passiert?“
„Jein. Bei einem angeblichen Experiment in den achtziger Jahren, ist ebenfalls angeblich ein Hund ins Schattenreich hinüber getippelt und nicht wieder gekommen. Aber Dr. Kirby bezweifelt, den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte. Es hat da nämlich einen anderen Versuch gegeben, in dem zu beweisen versucht wurde,
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