TITANIC-WORLD
setzte sich ruckartig auf. Für jeden, der die Titanic-Historie kannte, war der 28. Mai ein bedeutungsvoller Tag. Ihr Herz schlug schneller. Ich bin mir sicher, dass das Datum in irgendeinem Zusammenhang mit Nathans sogenannter Überraschung steht, überlegte sie stirnrunzelnd. Aber was, zum Henker, könnte das sein? Am 28. Mai 1912 veröffentlichte der amerikanische Untersuchungsausschuss seinen abschließenden Bericht zur Klärung der Schuldfrage an der Tragödie. Es gelang ihm nicht. Ebensowenig konnte es die britische Untersuchungskommission, die ihren Abschlussreport etwa zwei Monate später, am 30. Juli desselben Jahres bekannt gab. Aber das ergibt doch keinen Sinn, sinnierte sie weiter. Die Protokolle beider Anhörungen sind schließlich keine Geheimdokumente, zu denen nur ein bestimmter Personenkreis Zugang hat. Großschweifige Auszüge oder sogar Zitate findet man in jedem Fachbuch! Sie versank ins Grübeln. Bislang hatte sie jede Idee, die ihr hinsichtlich Nathans großartiger Sensation gekommen war, gleich wieder verworfen. Keine Titanic-Rarität – von der Deckbank, über die berühmte Schwimmweste Madeleine Astors , bis hin zu dem Geländerpfosten des großen Treppenhauses – rechtfertigte den von Craig zelebrierten Bohei!
Ein leises Schnarchen riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte neben sich und sah, dass Jonathan eingeschlafen war. Leise räumte sie das Geschirr in die Spülmaschine und ertappte sich wieder bei dem Gedanken an das Datum. Sie konnte nicht erklären, warum sie dem 28. Mai mit einem Mal eine solche Bedeutung beimaß. Dennoch blieb in ihr das Gefühl haften, das des Rätsels Lösung mit diesem Tag verknüpft war. Ihr Blick fiel auf die Uhr; zehn nach elf. Höchste Zeit ins Bett zu gehen. Sie stupste Jon vorsichtig an, doch der brummte mit geschlossenen Augen nur: „Zwei Stück Zucker, keine Milch.“ Cecilia kicherte und schüttelte ihn sanft. Es dauerte aber noch ein, zwei Sekunden, bis er endlich die Augen öffnete. „Herrje, ich bin wohl eingeschlafen. Sorry, honey .“ Er gab ihr einen Kuss und zog sie in seine Arme. Nur eine Sekunde später stoben beide erschrocken wieder auseinander, als Craig, ohne anzuklopfen, in das Appartment stürmte.
Mittwoch, 16. Mai 2012
Wie so oft in den vergangenen Wochen schon, saß Cecilia auch heute in ihrem Büro und starrte dumpf vor sich hin. Vorbei! Alles vorbei! Seit Craig sie gestern Abend in Jons Armen erwischt hatte, drehte dieser monotone Singsang eine Endlosschleife in ihrem Kopf. Vorbei! Alles vorbei!
Jon war gleich am Morgen vorübergehend vom Dienst suspendiert worden. Sir Connor hatte ihm mit ruhiger Stimme, die dennoch nur schlecht seinen Unmut verbergen konnte, die Leviten gelesen: „Sie sind seit Adams Zeiten Polizeibeamter, Jon, und Sie wissen ganz genau, das zu Personen, die in einen, Ihnen anvertrauten Fall involviert sind, jeglicher privater Kontakt untersagt ist! Dass ausgerechnet Sie diese Dienstanordnung ignoriert haben, erstaunt mich doch sehr. Ganz davon abgesehen, macht sich dererlei in Ihrer Personalakte auch nicht sonderlich gut. Allerdings können Sie sich glücklich schätzen, dass ich Ihr Vorgesetzer bin und aufgrund Ihrer bisherigen Diensterfolge, diese Angelegenheit als, hm, einmaligen Ausrutscher betrachtet habe. Hätten andere Leute eine Entscheidung über Sie treffen dürfen, wären Sie längst degradiert und könnten Parksünder aufschreiben oder Oma Schmitzens verloren gegangene Katze vom Baum locken. – Herrje, Jon! Wenn Sie sich schon in diese Historikerin verlieben mussten, konnten Sie da dann nicht wenigstens diskret vorgehen und sich heimlich treffen?“
Parker hatte die Erwiderungen, dass Cecilias Appartment wohl kaum ein öffentlicher Treffpunkt sei, hinunter geschluckt. Bevor Sir Connor ihn dazu auffordern musste, hatte er seine Dienstmarke abgegeben und sich verabschiedet.
Auch Cecilia rechnete felsenfest mit ihrer Entlassung. Trotzdem war sie, wie gewohnt, im Büro erschienen. Äußerlich ließ sie sich nichts anmerken; innerlich jedoch hatte sie sich für den Moment gewappnet, da Craig kommen und sie, bildlich gesprochen, aus der TITANIC-WORLD peitschen würde. Cecilia in Jons Armen zu sehen, hatte Craig für den Bruchteil einer Sekunde die Sprache verschlagen. Mit wutverzerrtem Gesicht hatte er Cecilia angestarrt und der Hass, der ihr in diesem Moment entgegen geschlagen war, war greifbar gewesen. Als er den Mund öffnete, hatte sie die Arme in einer hilflosen Geste abwehrend ausgestreckt;
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