TITANIC-WORLD
hatte.“
Cecilia hatte das Gefühl, als zöge ihr jemand den Boden unter den Füßen weg. Fassungslos starrte sie Parker nur an. Craig hingegen stieß ein betrunkenes Lachen aus und rief: „Ich fass‘ es nicht! Haha! Sind Sie in Ihrem Job eigentlich zu irgendetwas nütze, Inspektor?“ Er trank einen großen Schluck Bourbon und zündete sich eine weitere Zigarette an. Und dann, ohne Vorwarnung, polterte er los: „Sie sind der jämmerlichste Versager, dem ich je begegnet bin! Wovor haben Sie Schiss? Dass sichder Proletenvater, der seinen eigenen Sohn entführt hat, klüger als Sie erweisen könnte und Sie ihn nicht schnappen? Oder dass Ihrem Vorgesetzten endlich mal klar wird, was für ’ne Niete Sie sind und Sie bald auf der Straße sitzen? – Wer, glauben Sie, hat wohl die bessere Beobachtungsgabe? Besucher, die sich die Artefakte ansehen oder eine Überwachungskamera, die dazu da ist, aufzuzeichnen, was ihr vor die Linse gerät? – Sie sind erledigt, Mann!“
Er drückte die Zigarette aus und verließ Türe knallend das Büro.
Etwa vierzig Minuten später saßen Jon und Cecilia am Esstisch und aßen das aufgewärmte Gulasch. Cecilia hatte sich nicht für Craigs Verhalten entschuldigt, sondern Jon nur erbost eingestanden, dass sie sich schäme, sechzehn Jahre ihres Lebens an so einen bornierten, arroganten Arsch verschenkt zu haben!
Als die Teller leer und in die Spülmaschine geräumt waren, zeigte Jon ihr die Überwachungs-CD. Darauf lief der Kleine, mit seinem Stoffbären im Arm, von Foto zu Foto. Jedesmal, wenn er stehen blieb, hob er Polar hoch, zeigte ihm das jeweilige Bild und sprach mit ihm. Dann ging er zur nächsten Fotografie, wo sich diese kleine Szene wiederholte. Schließlich kam Andy zu der Wendeltreppe. Auf der TITANIC hatte sie zu den Kesselräumen geführt, in der TITANIC-WORLD war sie nur eine Kulisse. Dort stand ein Mann, dessen Kleidung nicht ganz in eine Erlebniswelt des einundzwanzigsten Jahrhunderts passen wollte. Er trug dunkle Hosen, die unten an den Knöcheln wegen des Kohlestaubs zusammen gebunden waren und in derben altmodischen Schnürschuhen steckten. Den Oberkörper bedeckte lediglich ein Unterhemd, das verschiedene Schmutzflecke aufwies. Wie lange der Mann da schon stand, bevor Andy zu ihm trat, war nicht ersichtlich. Deutlich erkennen konnten Cecilia und Jon aber, dass der Kleine keine Angst vor ihm hatte, denn er stellte dem Heizer mit freudigem Gesicht Polar vor. Die Konversation, die der Begrüßung folgte, schien von Andy auszugehen. Cecilia dachte für sich, dass es sich eher um einen Monolog gehandelt haben musste, da der Mann völlig reglos da stand, während der Kleine unaufhörlich plapperte. Kurz darauf zeigte die Kamera, wie Andy versuchte, den Hahn des Wasserspenders – der neben der Treppe angebracht war – zu erreichen. Auf Zehenspitzen stehend, bemühte er sich mehrere Male vergeblich, bis er seine Versuche schließlich aufgab. Als er sich wieder zu dem Heizer umdrehte, hockte der sich vor dem Jungen hin und breitete die Arme aus … In diesem Augenblick strömte eine Gruppe von circa fünfzehn Leuten in den Raum und verdeckte sekundenlang die Sicht. Als sie sich wieder zerstreut hatten, sah man die Wendeltreppe und den altmodischen Wasserspender, den ein fürsorglicher Thomas Andrews dort extra für die Schwarze Gang hatte anbringen lassen – von dem Heizer und Andy jedoch, fehlte jede Spur.
Dienstag, 15. Mai 2012
Gegen Mittag saßen Cecilia und Claire auf dem Personaldeck, um sich aufzuwärmen.Während draußen die frühsommerlichen Temperaturen schon rekordverdächtige dreißig Grad erreichten, schien in der TITANIC-WORLD das Thermometer bei Null Grad fest gefroren zu sein. Deswegen hatte es an diesem Morgen verständlicherweise unzählige Beschwerden gegeben, die von der Crew zwar pflichschuldigst entgegen genommen, aber ansonsten nicht weiter beachtet wurden. Die Kälte war da und ließ sich nicht vertreiben.
Das Interview von Mrs. Keegan, das in der Sun erschienen war, sorgte hingegen für heißen Diskussionsstoff unter den Besuchern. Darin hatte sie nämlich betont, dass sie die TITANIC-WORLD auf Schadensersatz verklagen wolle, da die Angestellten einfach weggesehen hätten, als ihr Noch-Ehemann den Kleinen gewaltsam aus der Erlebniswelt zerrte. Craig kochte vor Wut, als er das las. Cecilia, die weder Lust noch Nerven hatte, in sein kindisches Gebrüll mit einzustimmen, setzte sich kurzentschlossen mit Nick Pollhurst zusammen und arbeitete eine
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