TITANIC-WORLD
trank einen Schluck Tee und sah Claire kriegerisch über den Rand ihrer Tasse hinweg an. „Falls das die Zeitungen von heute sind, kannst du die gleich in den Papierkorb werfen. Ich kann keine einzige Schlagzeile mehr sehen!“
Claire seufzte. Ihr erging es nicht anders. Am vergangenen Freitag war James Keegan, vom Tatverdacht frei gesprochen, aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Seit dem wurde die TITANIC-WORLD von den Medien – wie sollte es anders sein – zerrissen. Der öffentliche Aufschrei ist mindestens genauso groß wie 1912, als der hohe Verlust an Menschenleben bekannt wurde, hatte Cecilia in den vergangenen Tagen mehr als einmal sarkastisch, aber auch verzweifelt bemerkt. Seit der Eröffnung im April war die Anfrage nach Eintrittskarten täglich gestiegen. Daran hatten bis Freitag weder die rätselhaften Vorgänge – einschließlich dem verletzten Carl Simmons und der verstorbenen Emily Pearson – noch die schlechte Publicity etwas ändern können. Das mysteriöse Verschwinden des fünfjährigen Andrew Keegan hatte die Diskussion – ob die TITANIC-WORLD von Geistern heimgsucht wurde oder nicht – heißer als je zuvor entfacht, aber diesmal schienen wesentlich mehr zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass es nicht ganz ungefährlich war, der Erlebniswelt einen Besuch abzustatten und so sahen viele davon ab. Seit Samstag gingen langsam aber stetig die Reservierungen zurück; bereits getätigte Buchungen wurden in nicht unerheblichem Umfang storniert und die zusätzlich bereit gestellten Tickets an der Tageskasse entpuppten sich immer mehr als Ladenhüter.
Diese Wochenbilanz führte bei Cecilia zu einem Gefühl der inneren Zerissenheit. Einerseits konnte sie nur lakonisch die Schultern zucken und sich sagen, dass es Nathan und Craig ganz Recht geschehe, wenn die Besucher ausblieben. Aberandererseits tat es ihr weh, zu sehen, dass die TITANIC-WORLD – gleich der TITANIC – dem Untergang geweiht war. Allerdings stand es nicht mehr in ihrer Macht, etwas dagegen zu unternehmen. Ihre Tage als Geschäftsführerin waren vorbei; dass wusste sie, auch wenn Nathan selbst keine Silbe darüber hatte verlauten lassen. Doch sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es für sie keinen Platz mehr in seinem Imperium gab. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass Nathan – vielleicht anhand der Zahlen der vergangenen Woche – aufwachen und Dr. Kirby, mitsamt seinem Team kommen lassen würde. Wie immer, wenn sie an Dr. Kirby dachte, kam sie unweigerlich ins Grübeln und endete jedesmal bei der Frage, welche Sensation so spektakulär sein könnte, dass sie Geisterscharen auf den Plan rief! Sie zündete sich eine Zigarette an und starrte gedankenverloren dem Rauch nach.
Mit einem letzten Blick auf die Schlagzeilen warf Claire die Zeitungen in den Papierkorb und schenkte sich eine Tasse Tee ein. Dann setzte sie sich Cecilia gegenüber und trank schweigend. Außer ihr kannte niemand von den Angestellten den wahren Grund, warum Craig so plötzlich nach New York abgereist war. Gleich am Donnerstagmorgen hatte Cecilia sie ins Vertrauen gezogen und ihr alles erzählt. Es freute Claire, dass ihre Chefin in Jonathan Parker endlich einen Mann gefunden hatte, mit dem sie glücklich war. Darauf, dass sie demnächst hier ohne Cecilia zu Recht kommen musste, freute sie sich allerdings weniger. Aus diesem Gedanken heraus, fragte sie: „Hat Craig … beziehungsweise hat Nathan … ich meine, weißt du wann die beiden heute in Southampton ankommen?“
Cecilia schüttelte langsam den Kopf. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und antwortete: „Nathan hat mir gestern eine Mail geschickt. Darin hat er mich lediglich gebeten, morgen früh um zehn Uhr ins South Western House zu kommen. Wenigstens wahrt er den Anstand und feuert mich nicht hier vor versammelter Mannschaft.“
„Scheiße“, entfuhr es Claire. Sie brachte ein entschuldigendes Grinsen zustande, sprach aber gleich ungehalten weiter: „Weißt du, eigentlich hab‘ ich von einem Wirtschaftsmagnaten wesentlich mehr Professionalität erwartet! Er kann dir doch nicht kündigen, nur, weil du seinen Goldjungen nicht heiraten willst! Du bist hier die jenige, die erstklassige Arbeit leistet, nicht Craig! Und du kannst Gift darauf nehmen, dass ich das dem werten Mr. Blake auch sagen werde!“
Die Augen ihrer Assistentin blitzten angriffslustig auf und obwohl der Gedanke an ihre Kündigung sie traurig stimmte, musste Cecilia doch lächeln. „Das Einzige, was du damit
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