TITANIC-WORLD

gewesen sein mag. Darüber hätte ich niemals hinweg sehen können und es hätte unser beider Leben zerstört. Seinen Drang nach Selbstbestätigung hätte ich nie erfüllen können und seine Sucht nach ständigem Applaus hätte einen Keil zwischen uns getrieben. Denn ich kann weder eine Zierde, noch der Besitz eines Mannes sein und gleichzeitig mir selber treu bleiben. Craig aber liebt die Cecilia, die ich bin! In einer Ehe jedoch wäre eine Veränderung meiner Persönlichkeit unabdingbar gewesen und ich hätte nicht nur mich selbst verloren, sondern auch Craig. – Ich werde deinen Neffen, als einen vertrauten Freund, immer lieben. Doch jetzt ist es für uns beide an der Zeit, einen Neuanfang zu wagen.“
    Am anderen Ende der Leitung blieb es lange still. Cecilia war zwar einer direkten Antwort ausgewichen, aber eine Erklärung hatte sie ihm dennoch geliefert. Ohne weiter darauf einzugehen, räusperte sich Nathan und sagte nur: „Ich komme nächsten Mittwoch, den dreiundzwanzigsten, nach Southampton. Dann können wir in Ruhe über alles reden. Bis dahin bitte ich dich, auf deinem Posten zu bleiben und keine voreiligen Entschlüsse zu fassen. Nimm dir Craigs Worte nicht zu Herzen und gönn‘ ihm diese einwöchige Pause. Wenn ich …“
    „Welche Pause“, unterbrach ihn Cecilia verblüfft.
    „Er ist auf dem Weg nach New York“, antwortete Nathan nicht im Mindesten überrascht, dass sein Neffe, ohne Bescheid zu sagen, in das nächstbeste Flugzeug gestiegen war, um zu ihm zu kommen.
    „Das wusste ich nicht“, antwortete sie, ihre Erleichterung nur schwer verbergend. Damit es Nathan nicht auffiel, fügte sie rasch hinzu: „Ein Abstand wird uns beiden guttun; in der letzten Zeit ist einfach zu viel passiert. – Wir sehen uns dann nächste Woche, Nathan.“
    „Danke für deine Offenheit, Cecilia. Bis Mittwoch.“
    Nach dem er aufgelegt hatte, blieb Nathan grübelnd an seinem Schreibtisch sitzen. Ob beabsichtigt oder nicht, Cecilia hatte Nathans Annahme bestätigt, warum sie seinem Neffen niemals das Ja-Wort gegeben hatte. Sie gehörte zu den seltenen Frauen, die wussten, dass der Preis für das sorglose Leben, an der Seite eines reichen und mächtigen Mannes, hoch war; zu hoch, als das Cecilia ihn jemals hätte entrichten wollen. Obwohl sie damals noch sehr jung gewesen war, erfasste sie instinktiv, was von ihr, als Craigs Ehefrau erwartet werden würde: eine Zierde an seiner Seite, die perfekte Gastgeberin auf privaten und geschäftlichen Feiern, die Mutter der zukünftigen Erben, die verführerische Geliebte und die Frau, die wusste, wem ihre Loyalität zu gelten hatte. Dieses stillschweigende Abkommen umfasste natürlich auch, dass sie über seine Seitensprünge diskret hätte hinweg sehen müssen. Niemals hätte sie Einwände erheben dürfen, dass Craig seine Zeit zwischen Familie und zahlreichen Geliebten aufteilte. Aber dazu war Cecilia nie bereit gewesen. Sie hatte erkannt, dass in den gehobenen Gesellschaftskreisen der Begriff Liebe nur die Co-Existenz von Sex war – und abgelehnt.
    Nathan stand auf und schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein. Er ging nicht zurückan seinen Schreibtisch, sondern setzte sich ins Wohnzimmer. Während er ab uns zu einen Schluck trank, dachte er weiter über Cecilia nach. Eine Zukunft bei der TITANIC HERITAGE LTD. gab es für die Düsseldorfer Historikerin nicht mehr. Ohne das private Zerwürfnis hätte vielleicht – auch nach der Veröffentlichung des Logbuches – noch die Aussicht bestanden, dass Cecilia ihm als Geschäftsführerin erhalten geblieben wäre. Jetzt war das unmöglich! Denn tief in seinem Herzen kreidete er es ihr übel an, dass sie nicht über ihren Schatten gesprungen war und, all ihren hehren Ideale zum Trotz, seinen Neffen geheiratet hatte. Er seufzte. Doch dann sagte er sich, dass die Welt voller schöner, junger Frauen war und dass die wenigsten über so viel Selbstdisziplin verfügten, wie Cecilia. Flüchtig bedauerte er, dass ihre Wege sich trennen mussten und kurz fragte er sich, wie es für sie wohl weitergehen würde. Doch die Gedanken gingen so schnell, wie sie gekommen waren. Er hatte dafür gesorgt, dass die TITANIC-WORLD in der kommenden Woche nicht ohne Geschäftsleitung da stand und damit seiner Verantwortung Rechnung getragen. Am kommenden Donnerstag würde er Cecilia die Kündigung aushändigen und dann? Dann war die Frau, die seinem Neffen sechszehn Jahre lang Herzeleid zugefügt hatte, Geschichte!
    Mittwoch, 23. Mai 2012
    Cecilia