TITANIC-WORLD
der TITANIC mitzuerleben.“
„Zu diesem Untersee-Abenteuer kriegen mich keine zehn Pferde“, schauderte Gina. „Mich graut schon der Gedanke daran, in nachtschwarzer Finsternis auf dem Meeresgrund rumzulaufen und plötzlich dem Wrack gegenüber zu stehen. Brrrr! Das ist mir zu schaurig! Ruinen und Wracks jagen mir mächtig Angst ein!“
„Ach, Gina“, seufzte Philomena auf. „Ich verstehe dich nicht. In den Tower von London willst du unbedingt, obwohl es da spuken soll – was viel gruseliger ist. Aber in ein virtuelles Untersee-Abenteuer, wo gar nichts passieren kann, gehst du nicht, weil du Schiss hast.“
„Ich habe keinen Schiss“, widersprach sie kopfschüttelnd. „Ich kann mir nur nicht vorstellen, was an einem alten Wrack so interessant sein kann. Und außerdem spukt‘s im Tower nicht.“
„Doch, tut es.“ Philomena senkte die Stimme und erklärte mit Grabesstimme: „In einem Gelass im Glockenturm steht eine schwarzgekleidete Frauengestalt am Fenster. Sie trägt eine Haube und es sieht aus, als würde sie hinaus schauen. Aber dann, wenn sie sich umdreht, erkennt man kein Gesicht, nur ein schwarzes Nichts! Das ist der Geist von Anne Boleyn , die von ihrem Ehemann, King Henry VIII. geköpft worden ist.“
„Quatsch“, brauste Gina auf. „Es gibt keine Geister. Das haben die bloß erfunden, um noch mehr Touristen in den Tower zu locken.“
Aber Philomena schüttelte ernst den Kopf und sagte gewichtig: „Es gibt dort noch mehr Geister. Die beiden Neffen von Richard III. sollen auch im Tower spuken. Manchmal soll man Kinderlachen hören können und es gibt Leute, die die beiden kleinen Jungs schon auf den Zinnen gesehen haben.“
„Das ist alles Quatsch mit Soße“, widersprach Gina heftig. Sie setzte eine entschlossene Miene auf und sagte entschieden: „Es gibt keine Geister.“
„Wenn du meinst“, antwortete Philomena achselzuckend und kam dann auf das Thema Cyber-Adventure zurück. „Was machen wir denn jetzt? Ich möchte wirklich gerne zum Wrack … Pass auf“, rief sie mit einem Mal triumphierend, „ich weiß was. Warum gehst du nicht in The Death of the Titan und ich seh mir The Wreck of the Titan an? Dann bekommt jeder seinen Willen.“
Aber das wollte Gina auch nicht. Sie bettelte und flehte so lange, bis ihre Freundin schließlich widerstrebend ihrem Vorschlag zustimmte. Philomena behagte der Gedanke an dieses Abenteuer gar nicht und sie wäre viel, viel lieber zum Wrack hinab getaucht, aber sie wollte auch nicht mit Gina streiten. Letztendlich war die TITANICWORLD ja nun eine permantente Freizeiteinrichtung in England. Kurzreisen nach Southampton wurden günstig angeboten und sie konnte im nächsten oder übernächsten Jahr noch einmal wiederkommen.
„Eigentlich müsstest du mich ins White Star Restaurant zu einem Neun-Gänge-Menü einladen, weil ich so lieb bin. Aber ein Fünf-Gänge-Dinner im Maiden Voyage tut’s auch.“ Sie lächelte ihre Freundin schelmisch an und stand auf. „Komm, lass uns gehen. Ich muss noch mal auf’s Klo, bevor wir uns virtuell an Bord desUnglücksliners begeben.“
„Du bist ein Engel, cara mia . Aber ich habe einen besseren Vorschlag. Ich warte hier auf dich und wenn du fertig bist, dann lade ich dich auf einen guten Grappa in den Rauchsalon ein. Das ist zwar kein Neun-Gänge-Menü im Nobel-Gourmet-Tempel, aber das Ambiente ist auch erste Klasse.“
Als Philomena den Ruheraum verlassen hatte, lehnte sich Gina entspannt zurück. Sie war froh, ihre Freundin überredet zu haben. Sie vermutete, dass Philomena nur lieber zum Wrack getaucht wäre, weil sie ein bisschen Angst davor hatte, sich auf der virtuellen TITANIC zu verlaufen und elendig zu ertrinken. Das war natürlich Quatsch mit Soße, wie Gina sich nachdrücklich sagte. In einer virtuellen Welt kann schließlich nichts passieren und außerdem gibt’s ja ein Sicherheitsprogramm.
Zum wiederholten Male ließ sie die Augen durch den Raum schweifen und genoss die exotische Atmosphäre. Wie wunderbar muss es gewesen sein, erster Klasse zu reisen und mitten auf dem Atlantik in solch‘ einem luxuriösen Bad den Nachmittag zu vertrödeln, überlegte sie sehnsüchtig. Was für ein herrliches Leben muss das gewesen sein, elegante Kleider und erlesenen Schmuck tragen zu dürfen und niemals Sorgen haben zu müssen, ob am Ende des Monats, noch Geld auf dem Konto ist. Sie seufzte behaglich bei der Vorstellung auf und stellte sich vor, dass sie eine reiche Erbin wäre, die sich auf der
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