Titanus
durchschimmernde Kleider, die fast bis auf den Boden fielen. Mit erstaunlicher Sicherheit schritten sie in silbernen, durchbrochenen pantoffelartigen Schuhen mit hohen Absätzen einher. In den Haaren trugen sie blitzenden Schmuck, der aus Edelsteinen zu bestehen schien und zu Würfeln, Kegeln, Kugeln oder Tropfen geschliffen war. Die Männer der Kosmos saßen wie verzaubert. Nur langsam gewannen sie die Fähigkeit zurück, nüchtern zu beobachten. Augenscheinlich liebte man auf dem Titanus Glanz und bunte Farben und hatte alles auf Wirkung bedacht. War es Freude an natürlicher Schönheit, daß sie diese nichts verhüllenden Kleider trugen? Durfte man hier irdische Maßstäbe anlegen?
Jede Titanin wählte sich einen Titanen und begab sich mit ihm zu einer der Nischen. Reich verzierte Vorhänge schlossen sich. Auch neben den Menschen standen plötzlich titanische Frauen.
Romain faßte sich als erster. Er mußte unter allen Umständen verhindern, daß die Genossen sich verteilten und der fremden Umgebung unterlagen. Er durfte aber auch die Titanen nicht verletzen. Jede Mißstimmung konnte schwerwiegende Folgen haben.
Er erhob sich, faßte, wie er es bei den Titanen gesehen hatte, die vor ihm stehende Frau an der Hand und führte sie auf die andere Seite des Tisches. Dort setzte er sich mit ihr. Bald saßen sie alle in gemischter Reihe um die Tafel.
Als eine der Titaninnen auch für diejenigen Genossen Kappen brachte, die bisher keine getragen hatten, überlegte Romain nur kurz. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß die Kappen den eigenen Willen beeinflußten. Deshalb hob er seine Anordnung auf. Nun konnten sich alle Männer mit ihren Tischdamen verständigen.
Ein zwangloses Scherzen begann, und keiner vermochte später zu sagen, wie es angefangen hatte. Lag es an der ungezierten Art der Titaninnen? Bald herrschte Fröhlichkeit an der Tafel.
Jansen blickte sich verstohlen nach Lazzarri um. Sylvio hatte offensichtlich Feuer gefangen. Die Frau an seiner Seite unterschied sich von den anderen. Sie war zurückhaltender und wirkte dadurch noch anmutiger. Kein Wunder, wenn Sylvio den Kopf verlor. Seine Miene drückte Bewunderung, Hingabe und Innigkeit aus. Das hätte er ihm nicht zugetraut! Sollte man ihn warnen? Doch sie waren ja alle beisammen, da konnte Sylvio nicht aus der Rolle fallen. Erstaunlich war nur, daß der Fluß seiner munteren Rede versiegt war. Lazzarri zeigte sich geradezu beängstigend schweigsam. Offenbar litt er unter einer lähmenden Befangenheit. Um so besser, dann konnte nichts passieren!
Die Kolonnen der Titanen umfuhren den Höhenzug, der als natürlicher Wall den Talkessel umgab. Die Wagen verteilten sich und bildeten einen dichten Sperring, der das Tal nach außen abschirmte. Wie nötig diese Maßnahme war, das zeigte bald ein neuer Strom von Fahrzeugen. Ihre tropfenförmige Gestalt verriet, daß sie der Personenbeförderung dienten. Sie brachten Neugierige. Doch das titanische Militär verwehrte ihnen den Zutritt zum Talkessel.
Nasarow hob die Startbereitschaft wieder auf. Während er noch erwog, ob ihm die Lage endlich den Flug zum Planeten gestattete, rief ihn der diensthabende Ingenieur an.
Auf dem Bildschirm des wartenden Panzers erschienen die wohlvertrauten Gestalten von Romains Männern.
»Schnell die Fernsehkamera aufblenden!« rief Nasarow. Er wollte wenigstens bildlich dabeisein, wenn Romains und Cantervilles Gruppen sich begrüßten.
Die Männer umarmten sich. Nasarow sah, daß auch Cantervilles Gruppe sich um die Genossen gesorgt hatte.
Romain trat an den Panzer und nickte Nasarows Kopf zu.
»Alles in Ordnung! Willst du nicht zu uns herunterkommen?«
Im Besprechungssaal der Menschensiedlung saßen die Kommandeure der auf dem Titanus gelandeten Gruppen.
Gespannt folgten sie dem Bericht, den Jansen und Romain über die erste Begegnung mit den Titanen gaben. Ihre Mienen spiegelten wider, was die Männer der beiden ersten Gruppen empfunden hatten: Staunen, Mißbilligung, Unbehagen, Freude.
»Nach dem offiziellen Empfang mußten wir noch ein Fest über uns ergehen lassen…« Romain zögerte.
»Du sagst das so seltsam?« fragte Nasarow.
»Ich weiß nicht, ob ich den Titanen Unrecht zufüge – nach unseren Begriffen sind die Titaninnen ungewöhnlich schön –, aber das, was wir beobachteten, war mehr, als sich allein mit Lebensfreude begründen läßt. Es hat uns Mühe gekostet, den für uns gewohnten Rahmen zu wahren. Ich nehme an, daß die Art und Weise, wie sich die Titanen
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