Titanus
bremste oder die Lenkung bediente. Diese »unsichtbare Kupplungsstange« hatte den Vorteil, daß der »Zugwagen« weder auf Steigungen ziehen mußte noch auf Gefällen geschoben wurde. Die Wagen waren mit Elektromotoren ausgerüstet, die durch drahtlos übermittelte Energie oder durch Batteriestrom gespeist wurden.
Diese Kraftwagenzüge, die oft bis zu fünfzig Wagen umfaßten, waren die Erklärung dafür, weshalb es auf Titanus zwei keine Schienenstränge gab. Mit ihnen beförderten die Titanen ihre Güter, soweit sie nicht unterirdisch oder mit dem Flugzeug transportiert wurden. Auf dem Überlandstraßennetz und im Stadtverkehr konnte der Fahrer des ersten Wagens die automatische Steuerung einschalten. Das Leitfahrzeug strahlte dann bestimmte Funksignale aus, und der ganze Wagenzug erhielt überall freie Fahrt.
Die Wagen bremsten, die Männer stiegen ein, der Zug setzte sich in Bewegung. Stafford saß neben Ursu. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie – nach irdischer Zeit gerechnet! – mehr als sechzig Jahre alt war. Sie erschien ihm bezaubernd jung, so jung, daß er sich selber alt vorkam. Sie trug heute ein blaues Kleid und dazu blondes Haar. Es verblüffte ihn immer wieder, wenn sie eine andere, jeweils zum Kleid konstrastierende Haarfarbe angenommen hatte.
»Ich habe Sie nie wieder in der Tracht gesehen, die Sie damals auf der Terrasse trugen«, sagte er.
»Das ist unsere traditionelle Volkstracht. So gingen unsere Vorfahren, als sie die Gierigen verjagten. Heute ist es unsere Feiertagstracht«, erwiderte sie. »Eine Tracht der besonderen Freude!«
»War damals denn Feiertag?«
»Auf dem ganzen Planeten! Wir bekamen doch zum ersten Male Besuch aus dem Weltall.«
»Gehört denn die Haarfarbe auch zur Tracht?« fragte er nach einer Weile.
Ursu lachte. »Das Haar muß doch zur Kleidung passen, es ist ein Requisit der Mode! Oder tragen die irdischen Frauen immer dieselbe Haarfarbe?«
»Die meisten Frauen wechseln sie nicht. Sie könnten zwar, aber…. Es ist umständlich, die Haare müssen gefärbt werden. Und wenn sie nachwachsen, dann kommt die ursprüngliche Farbe wieder durch, besonders bei blondem Haar…«
Ursu beugte sich interessiert zu ihm.
»Wie denn färben? Mit einem Zerstäuber – wie die Wand?«
Stafford erklärte es, so gut er es vermochte.
Jetzt lachte sie herzlich. »Die armen Frauen! Ich würde mir meine Haare auch nicht anstreichen. Wir schlucken abends ein Kügelchen, eine harmlose Chemikalie, und am andern Morgen paßt das Haar zum Kleid. Man muß nur aufpassen, daß man die richtige Farbe wählt.«
»Das müßten unsere Frauen…«
»Nehmt euch doch Kugeln mit!«
Die Wagen bogen jetzt ins Dorf ein. Inmitten gepflegter Anlagen erhoben sich freundliche Terrassenhäuser, von den städtischen Hochhäusern nur durch die geringere Höhe unterschieden. In den Anlagen versteckten sich ein Sportplatz, nach titanischer Sitte sechseckig, und ein Schwimmbad.
Ein alter Titan mit faltenreichem Gesicht begrüßte die Besucher mit ungezwungener Freundlichkeit und führte sie herum.
Hohes, kakteenartiges Gesträuch – mit stachelbewehrten Blättern und prächtigen grünen Blüten – am Rande der Anlagen, entzog die Wirtschaftsgebäude dem Blick. Es gab Speicher, eine Mühle, eine Rösterei und eine große Halle mit vielen Fahrzeugen und Bodenbearbeitungsgeräten. Kraftwagen für Personen- und für Lasttransporte, Gleiskettenschlepper mit Anhängern…
Stafford entdeckte ein großes Fahrzeug, dessen Zweck ihm verborgen blieb. Vorn am Boden öffnete sich ein breites Maul. Davor hing eine dicke, mit gekrümmten Spitzen bewehrte Walze, die einer irdischen Bodenfräse ähnelte. Hinten befand sich die gleiche Öffnung, aber keine Walze. Rätselhaft!
Der alte Titan, Vorsitzender des Dorfes, lächelte. »Wie lockert ihr den Boden?«
Stafford erklärte es. Der Vorsitzende wiegte bedächtig den Kopf.
»Umständlich, zeitraubend…! Dort die Walze rotiert, die Zähne reißen den Boden auf und werfen ihn in die Öffnung. Die Maschine befreit das Erdreich von Steinen und wilden Pflanzen und reichert es mit Stoffen an, die die Kulturpflanze braucht, die aber nicht mehr ausreichend im Boden vorhanden sind. Hinten wird die Erde wieder ausgeworfen. Eine besondere Einrichtung, die über die hintere Öffnung hinausragt, legt Körner, Knollen oder Jungpflanzen aus.«
Stafford folgte den Gefährten tief in Gedanken.
Nur noch zwölf Tage – und wohin man sich wandte, gab es Dinge, die sich
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