Titanus
Brücken über kleine Bäche, kleine Seen – alles war dazu bestimmt, den Kranken ihren Aufenthalt angenehm zu machen und ihre Lebensfreude zu erhöhen. Die verschiedenen Kliniken, Terrassenbauten in weichen Farben, die sich kaum von den Häusern der Städte unterschieden, lagen verstreut. Die Terrassen waren mit bettähnlichen weißen Liegegestellen besetzt.
Silona und Sandrino hatten die frühe Morgenstunde zu einem ausgiebigen Bummel durch den Park genützt. Jeden Morgen brachen sie – wenn schönes Wetter war – zeitig auf und gingen das letzte Stück zu Fuß durch den Park.
»Dieser Weg ist immer viel zu schnell zu Ende«, sagte Sandrino, als die Klinik durch die Farnwedel der Sträucher schimmerte.
»Noch müde, Massimo?« fragte Silona.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht doch! Aber die Spaziergänge mit dir könnten länger sein.«
»Wenn es dir Vergnügen macht, können wir doch abends gehen! Ich könnte dir unsern Park zeigen, wenn im Dämmerlicht die Blüten der Sogane leuchten. Habt ihr auch Sogane, Büsche mit leuchtenden Blüten? Oder wir könnten baden gehen, draußen am See. Magst du?«
»Und ob ich mag! Ich freue mich darauf.«
»Ich auch«, sagte sie einfach. »Gehen wir gleich, von hier aus.«
»Ich muß nur noch meinen Badeanzug holen.«
Sie war verwundert. »Geht ihr denn mit Anzügen ins Wasser?«
Er strich spielerisch über einen Zweig. Was sollte er erwidern? Wenn man auf dem Planeten so natürlich war, dann mußte dieses menschliche Requisit komisch wirken.
»Es sind nicht unsere üblichen Anzüge, sondern leichte Kleidungsstücke…«
»Du kannst so gehen«, sagte sie. »Wir verlieren sonst zuviel Zeit. Der See ist…« Sie stutzte. »Komm, wir müssen uns beeilen, man winkt uns!«
Sandrino sah auf. Sie waren dem Gebäude auf Rufweite nahe gekommen. Auf der flachen Treppe vor dem Eingang stand eine Schwester. Offensichtlich rief sie etwas, doch sie waren noch zu weit entfernt, so daß der Sprachwandler schwieg.
»Ich komme!« Silona drückte flüchtig Sandrinos Arm und eilte davon.
Schon im Laufen, rief sie zurück, daß er im Sprechzimmer des ersten Stocks auf sie warten solle.
Sandrino sah ihr frohgestimmt nach, wie sie leichtfüßig die Treppe emporstieg. Sie gefiel ihm immer besser. Nichts Gekünsteltes, nichts Kompliziertes – sie war klar und einfach. Es war ein Vergnügen, mit ihr zu arbeiten.
Er wartete im Sprechzimmer, das sich von den irdischen wenig unterschied. Da der Körper der Titanen fast ebenso gebaut war wie der Menschenkörper, waren die chirurgischen Instrumente auf dem Titanus ähnlich konstruiert wie auf der Erde. Elektrische Sonden, Skalpelle und Scheren unterschieden sich lediglich durch andere, der titanischen Klauenhand angepaßte Griffe.
Die Bestrahlungsgeräte allerdings…
Sandrino trat hinüber. Er mußte sie sich noch erklären lassen. Da betrat Silona den Raum. Sie war verändert, ernst. Er vergaß seine Fragen. Sie sah ihn prüfend an und umfaßte seine Schulter.
»Massimo«, sagte sie leise, »es tut mir sehr leid. Ein Mensch ist erkrankt, ein Genosse von dir.«
»Wer?« Sandrino erschrak. »Sag doch, Silona, wer? Wo ist er?«
»Ich weiß nicht, wer es ist. Aber er wird hierhergebracht, zu uns, Massimo. Wir beide sollen ihm helfen. Wir werden alles tun!«
Er hatte sich wieder in der Gewalt. Und er war ganz Arzt, als er ihren Arm ergriff. »Komm! Zur Morgenvisite – deine Kranken warten auf dich. Wenn der Genosse kommt, sehen wir weiter.«
Wo Silona in ihrem cremefarbenen Arztkleid auftauchte, gab es lächelnde und zuversichtliche Gesichter. Sie verstand es meisterhaft, Sorgen und Zweifel, die sich hier und da beim nächtlichen Grübeln eingestellt hatten, durch freundliche und verständnisvolle Worte zu beseitigen. Und Sandrino war zu sehr Arzt, als daß Kranke ihm seine Sorgen angesehen hätten.
Die Patienten blickten dem Arzt der Menschen, der in einem weißen Mantel durch ihre Zweibettzimmer ging, erwartungsvoll entgegen. Sie hatten bereits von ihm gehört, denn er hatte jeden Tag eine andere Station besucht und war dabei mit vielen Titanen zusammengekommen. Hin und wieder hatte man ihn zusammen mit Silona der Gütigen, wie sie unter den Kranken hieß, gesehen. Daß Silona sich gut mit ihm verstand, was natürlich nicht verborgen blieb, nahm die Titanen von vornherein für ihn ein.
In einem Zimmer lag ein einzelner Patient. »Oberschenkelbruch beiderseits. Beim Klettern abgestürzt«, sagte Silona leise.
»Wie wird er
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