Titanus
»ist doch die Fähigkeit zum schöpferischen Denken. Jahrtausendelang hat der Zwang, schwer und lange zu arbeiten, die schöpferischen Fähigkeiten der Tätigen unterdrückt. Wir haben die Quellen der Begabung freigelegt, jetzt sprudeln sie in reichem Maße. Die zur Erhaltung der Gemeinschaft notwendige Arbeit wird von allen gleichmäßig getragen, und sie wird mit Hilfe der Technik in immer kürzerer Zeit verrichtet, deshalb haben wir viel Zeit für freie Beschäftigung. Wir widmen uns dem Schönen – der Kunst, der Wissenschaft, der gesellschaftlichen Arbeit. Unsere Kunst erreichte eine Blüte, wie sie vorher undenkbar war. Der eine malt Bilder oder formt Plastiken, die das Schöne verdeutlichen, der andere schreibt Bücher, die das Leben und seine Gesetze erkennen lassen, der dritte ergründet die Geheimnisse der Natur als Arzt oder als Wissenschaftler, der vierte entwickelt Maschinen, die dem Fortschritt dienen. Und sie alle lernen und erweitern ihre Kenntnisse oder eignen sich die erforderliche Erfahrung, soweit der Ehrendienst dazu nicht ausreicht, in freiwilliger Arbeit an, was nicht als Last empfunden wird. Und weil keiner gezwungen wird, weil jeder sich dem widmen kann, was ihm Freude macht, weil er Zeit findet, seine Arbeit ausreifen zu lassen, deshalb erzielen wir Ergebnisse, die unser Leben ungemein bereichern!«
»Und wer nichts tut?« fragte Stafford gespannt. Er dachte an die Drohnen in seiner Heimat, die reichen übersättigten Müßiggänger.
»Der kommt ins Krankenhaus!«
Stafford war überrascht. Verbarg sich hinter dem Wort Krankenhaus eine Erziehungsanstalt?
»Wer nichts tut, ist krank«, sagte Ursu mit verblüffender Selbstverständlichkeit. »Gesunde, die sich mit nichts beschäftigen, gibt es nicht. Im vernunftbegabten Wesen, dessen Fähigkeiten liebevoll gepflegt werden, liegt doch der Tätigkeitsdrang. Und jeder betrachtet es als Ehre, der Gemeinschaft das Beste….«
Kisi kehrte zurück. »Genosse Romain ist im Krankenhaus angekommen.«
»Wie geht es ihm?« fragten mehrere Männer zugleich.
Kisi hob die Schulter. »Nicht besser…«
Die Männer schwiegen.
Der Vorsitzende zog Ursu unauffällig zur Seite. Die Sonne stand hoch am Firmament und prallte auf das Dach. Den Männern rann der Schweiß von der Stirn. Die Titanen waren offensichtlich wärmefester. Nicht einmal Kisi schwitzte, obwohl er nördlichen Breiten entstammte. Ursu trat wieder zu den Männern.
»Unser Rundfunk bringt eine wichtige Mitteilung im Zusammenhang mit dem Besuch der Menschen. Wollt ihr sie hören?«
Sie folgten Ursu in das Arbeitszimmer des Vorsitzenden. Eine gläserne Wand bot einen weiten Blick über das Land, an den anderen Wänden hingen Karten, die matt leuchteten. Sie zeigten die Felder des Betriebes. Während der Vorsitzende Stühle heranholte, fragte Canterville, wie viele Mitglieder die Genossenschaft habe. Er mußte Kisi diesen Begriff erst erklären.
»So etwas kennen wir nicht mehr, das gab es früher«, antwortete der Titan. »Eine Genossenschaft hat doch nur Sinn, wenn sie gemeinschaftlicher Produktion und gemeinschaftlichem Erwerb dient. Der Erwerb ist weggefallen, es bekommt jeder, was er braucht. Nun haben wir nur noch eine Genossenschaft, die alles produziert und alles besitzt und nichts verkauft, weil sie alles selbst verbraucht; die Genossenschaft aller Bewohner dieses Planeten!«
Die Männer setzten sich. Hier war es kühler, sie fühlten sich wohler. Der Vorsitzende hantierte an dem Mikrofonkästchen auf seinem Schreibtisch, das dem irdischen Funktelefon entsprach. Er drückte verschiedene bunte Tasten und rückte den Sprachwandler zurecht.
»Hier spricht die Stimme der Gemeinschaft über sämtliche Sender!« tönte es plötzlich durch den Raum. »Bürger, der Rat des Planeten erließ folgenden Aufruf: An alle! Heute nacht erkrankte ein Mitglied der irdischen Expedition, die bei uns zu Besuch weilt, an einer unbekannten Krankheit. Unser Gast befindet sich in höchster Lebensgefahr! Die Ärzte der Menschen und des Rates der Gesundheit und die Spezialisten des Chemischen Rates halten es für wahrscheinlich, daß der Kranke durch den Stich einer Bretse vergiftet wurde. Der Rat ruft euch deshalb auf: Sucht und fangt dieses Insekt, damit die Spezialisten das Gift erforschen und ein Gegengift herstellen können. Liefert alle gefangenen Insekten unverzüglich beim nächsten Krankenhaus oder bei der nächsten Rettungsstation ab. Von dort sind sie sofort in die Gebietshauptstadt zu
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