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dem Kopfe, seufzte abermals und sagte: »Und dennoch war dies der Wahre! So sind wir Frauen! Auch ich, meine arme Emma, habe eine wahre und echte Liebe einer erheuchelten und ehrgeizigen geopfert und ich leide nun die Strafe dafür. Ich habe einen Gemahl, den ich nicht liebe, und soll ich es Ihnen gestehen? den ich nicht lieben kann, und einen Geliebten, den ich verachte. Sie wundern sich, daß ich Ihnen dies mit solcher Freimütigkeit sage, aber was wollen Sie? Ein gewisser Instinkt zieht mich zu Ihnen hin. Übrigens spricht manvon diesen Dingen in Neapel schon so laut, daß das Verdienst des Vertrauens kein großes ist und Sie aller Wahrscheinlichkeit nach schon längst wissen, was ich Ihnen heute mitteile.«
»Aber das, was Sie, mir sagen, Majestät, rührt mich deswegen nicht weniger.«
– »Meine Majestät ist eine traurige Majestät, was nämlich das Glück betrifft. Als ich den Fuß auf den Boden von Neapel setzte, als ich den Mann erblickte, für den man mich bestimmt, da fühlte ich, daß mein Urteil gesprochen war.«
– »Ja, in der Tat, welch ein Unterschied zwischen dem König und Ihnen!« rief ich.
– »Da hast du meine einzige Entschuldigung auf dich genommen, liebe Emma. Du, ein zartfühlendes Gemüt, kannst dir von meiner Enttäuschung einen Begriff machen. Ich war jung, ich zählte kaum fünfzehn Jahre. Man hatte mir gesagt, daß ich über das Land herrschen solle, in welchem Virgil gestorben, in welchem Tasso geboren war. Ich sollte einen jungen Prinzen von achtzehn Jahren, einen Enkel Ludwigs des Vierzehnten, einen Urenkel Heinrichs des Vierten heiraten. Ich kam, sozusagen, mit der Aeneide in der einen, mit dem »befreiten Jerusalem« in der andern Hand. Ich kam mit allen Hoffnungen eines jungfräulichen Herzens, mit allen Träumen eines mit den Balladen unseres alten Deutschlands genährten Geistes. Ich sah ihn. Du kennst ihn. Ich brauche dir nicht erst sein Porträt zu entwerfen – eine Art unwissender Bauer, der keine andere Sprache redet als sein neapolitanisches Patois, ein Lazzarone vom Hafendamm, der in der königlichen Loge seine Makkaroni speist, ein Fischer der Mergellina, welcher unter den gemeinsten Ausdrücken seine Fische verkauft; ein roher Jäger ohne Poesie, ein Dorfsultan, der sich einen Harem von Kuhmägden geschaffen! Ach, ich versichere dir, die Illusion dauerte nicht lange. Einmal glaubte ich, noch glücklich werden zu können. Ich war auf meinem Wege einem Manne begegnet, der mit allen Eigenschaften begabt war, welche dem König fehlten. Er war jung, schön, elegant, geistreich, obendrein Fürst, was seinen übrigen Vorzügen keinen Eintrag tat.«
»Der Fürst von Caramanico!« rief ich, ohne zu bedenken, wie unpassend diese Unterbrechung von meiner Seite war. –
»Dann kennst du also seinen Namen?« fragte die Königin. Ich errötete. »O, erröte nicht,« sagte sie zu mir. »Zu diesem Manne konnte eine Königin sich bekennen. Er liebte mich wahrhaftig, der arme Giuseppe! Nicht wie der andere, weil ich Königin war, und ich weiß, er liebt mich immer noch.«
»Aber wer hindert dannEuer Majestät, ihn wiederzusehen?«
– »Man hat Sorge getragen, ihn von mir zu entfernen.«
– »Lassen Sie ihn wiederkommen – rufen Sie ihn zurück. O, wenn ich Königin wäre, wenn ich einen Mann liebte und meinen Gemahl verabscheute, dann sollte nichts auf der Welt mich abhalten, den, welchen ich liebte, in meiner Nähe zu haben.«
– »Auch nicht die Furcht, durch seine Zurückberufung seinen Tod herbeizuführen?« fragte mich die Königin in düsterem Tone. Ich stutzte.
»Und wer könnte ein solches Verbrechen begehen?« fragte ich.
– »Der, welcher seine Stelle eingenommen hat und fürchten könnte, sich durch jenen wieder daraus verdrängt zu sehen.«
– »Diese Überzeugung haben Sie, Majestät!« rief ich, »und dennoch behalten Sie diesen Mann in Ihrer Nähe?«
– »Was willst du! In den Regionen, welche wir bewohnen, gibt es polititische Fallstricke. Wird man einmal darin gefangen, so ist man es für immer. Zu weinen ist verboten. Ein ganzes Volk hört uns und ruft dann lachend: ›Das ist schon recht so!‹ Klagen können wäre allerdings ein großer Trost, aber dazu bedarf man einer Freundin. Du siehst, daß ich Klage, selbst ohne zu wissen, ob ich eine Freundin habe.«
– »O, Sie haben eine, Madame; Sie haben eine Freundin, welche Sie lieben wird, nicht weil Sie Königin sind,« rief ich, und war nahe daran, ihr wie meinesgleichen um den Hals zu
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