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Titel: TITLE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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fallen. Ich unterdrückte noch diese Bewegung.
    »Die sich aber von mir entfernen wird, weil ich Königin bin,« sagte Karoline mit wehmütigem Lächeln. »Ach, meine arme Emma, die Regionen des Thrones sind, wie die Gipfel der Alpen, von einer gewissen Höhe an kahl und unfruchtbar. Es gedeiht hier nichts mehr, weder Freundschaft noch Liebe.«
    – »Sie sehen wohl, daß Sie sich irren, Madame, da ja jener Mann Sie geliebt hat, da Sie sagen, daß er Sie noch liebt und da endlich ich –«
    »Nun du?«
    – »Da ich, ermutigt durch das, was Sie mir sagen, Ihnen zu gestehen wage, daß ich Sie auch liebe.«
    – »O, ich habe das oft geträumt – eine Freundin! Ich habe aber nur gefällige Dienerinnen gefunden, wie zum Beispiel die San Marco und die San Clemente, welche unaufhörlich etwas von mir für sich erbitten; die, wenn sie dies nicht für sich selbst, es für ihre Liebhaber, oder, wenn nicht für diese, für ihre Männer tun. Sind dies Freundinnen?«
    – »Ich, Madame,« rief ich, »ich habe nichts von Ihnen zu erbitten, weder für mich noch für meinen Gatten. Was einen Liebhaber betrifft, so habe ich keinen und fürchte sogar sehr, daßich niemals einen haben werde.« – »Aber eben weil du weder für dich noch für andere etwas von mir zu erbitten hast, wirst du dir nicht die Mühe nehmen, meine Freundin zu sein,« sagte die Königin mit bitterem Lächeln. »O doch, doch!« rief ich und konnte nicht mehr dem Impuls widerstehen, der mich zu ihr hindrängte. Ich schlang meine Anne diesmal wirklich um ihren Hals und wiederholte: »O doch, doch! Ich schwöre es Ihnen.« – »Nun,« hob Karoline wieder an, »das ist eine gute Regung. Wohlan, ich will dich dafür belohnen, indem ich dir etwas zeige, was ich niemandem zeigen würde – sein Bildnis –« Sie schwieg eine Weile und fuhr dann fort: »Später vielleicht, in zehn Jahren, wirst du wissen, daß es in dem Leben eines jeden Weibes, sei sie nun Königin oder Wäscherin, stets eine Liebe gibt, welche eine tiefere Spur zurückläßt, als die andern. Diese Liebe ist oft die erste. Bei jedem Manne, der in der Wirklichkeit oder in der Erinnerung vor dem Spiegel welchen man das Herz nennt, vorübergeht, schüttelt man traurig den Kopf und sagt: »Der ist es nicht.« Dann trübt der Spiegel sich allmählich und wirft gar kein Bild mehr zurück. Dennoch, wenn man hinter den seine Fläche bedeckenden Nebel schaut, ist es immer noch jener Mann, den man hier wieder findet.« – Ich senkte das Haupt. Der einzige Mann, den ich geliebt oder zu lieben geglaubt, war Sir Harry und ich fühlte, daß keiner von denen, welche ich gekannt, in meinem Herzen die tiefe Spur zurückgelassen hatte, von welcher die Königin sprach. War ich also bestimmt, nicht mehr zu lieben? Oder hatte ich die eigentliche, wahre Liebe noch nie empfunden? Die Königin ging an ihren Sekretär, ein prachtvolles Geschenk von König Ludwig dem Sechzehnten, öffnete ein geheimes Schubfach und kehrte mit einer kleinen Kassette in der Hand zu mir zurück. Diese Kassette enthielt ein Medaillon in einem Etui, ein Paket Briefe und verwelkte Blumen und Blätter. Ich dachte an diese stolze, mächtige, absolute Königin, welche man beschuldigte, ein ehernes Herz oder gar keines zu haben, und die gleichwohl jetzt wie eine einfache schlichte Frau, wie eine Pensionärin, die ihre letzten Ferien beweint, wie eine Nonne, die ihre Freiheit betrauert, mir verwelkte Blumen und Blätter, Briefe und ein Porträt zeigte. Das Szepter kann die Hand vertrocknen lassen, die Krone kann die Stirne der Königin sengen, aber es gibt einen Winkel des Herzens, wo das Weib immer Weib bleibt. Ich lächelte über diesen neuen Beweis von unserer Kraft oder unsrer Schwäche, wie man will.
    »Du lachst,« sagte die Königin, »und du findest, daß ich sehr töricht bin, nicht wahr? Wohlan, lache immer zu, wenn du willst. Ein Teil meines Herzens ist da, wo er ist; der andere ist bei diesen Briefen, diesen Blumen und diesem Porträt. Oft wenn ich einen ganzen Tag einen Gatten, den ich hasse, und einen Geliebten, den ich verachte, ertragen habe, schließe ich mich allein in dieses Zimmer ein. Ich nehme meine teure Kassette aus meinem Sekretär, ich öffne sie und sage: ›Dieses Lorbeerblatt haben wir eines Abends an Virgils Grabe gepflückt.‹ Der Mond, welcher prachtvoll hinter dem Berge Sant Angelo aufging, warf breite Schatten auf den Pausilippo. Wir waren beide in eine dieser dunklen Ecken begraben und gleichsam abgeschnitten von

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