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zehnmal mehr Kohle als Salpeter darin enthalten ist. Wenn ich mit neapolitanischem Pulver schießen ließe, so würde kein Drittel der Schüsse treffen, und deshalb lasse ich auch mein Pulver aus England kommen.« –
»Dann haben Sie also wohl befohlen«
– »Daß man dem Admiralschiffe entgegengehe, um den Kommandanten der Flotte daran zu erinnern, daß ein alter Vertrag nur sechs französischen Kriegsschiffen die Einfahrt in den Kriegshafen gestattet.«
– »Nun, das muß ich sagen!« rief die Königin.
– »Warten Sie doch! – Umihm jedoch zu sagen,« fuhr der König fort, »daß es einmal noch keine Gewohnheit ist, und daß ich ihn bitte, mich, ehe ein Offizier der Flotte ans Land steigt, wissen zu lassen, welchem glücklichen Umstande ich die Ehre seines Besuches zu verdanken habe.« – »Du hörst es, Emma!« rief die Königin ungeduldig, indem sie mit dem Fuße stampfte. Der König tat, als ob er diese Bewegung der Königin nicht bemerkte. »Und,« sagte er, »der Kapitän François Caracciolo wird in der königlichen Jolle meinen Auftrag ausführen.« – »Ich bewundere Sie!« sagte die Königin spottend. »Sie schicken einen Fürsten zu Republikanern.« – »Madame, da ich voraussetze, daß die französische Republik mir das Beste sendet, was sie hat, so schicke ich auch ihr das Beste, was ich besitze. Sehen Sie diese Halunken von Franzosen! Sie fürchten sich vor nichts, diese Teufel von Jakobinern! Dort wirft das Admiralschiff in halber Schußweite vom Kastell d'Uovo Anker. Sie müssen wissen, daß wir schlechtes Pulver haben, sonst würden sie sich nicht der Gefahr aussetzen, in den Grund gebohrt zu werden.« – »Ach nein,« murmelte die Königin, »das wissen sie nicht; sie wissen aber wahrscheinlich etwas anderes.« – »Daß ich unfähig bin, aus ihrer Unklugheit Nutzen zu ziehen?« sagte der König in dem spöttischen Tone, welcher machte, daß man nie erraten konnte, ob er spottete oder im Ernste sprach, ob er geistreich war, oder eine Dummheit sagte. »Sie haben recht, jene lieben Sansculotten! Ah, meiner Treu', da, entfaltet sich ja die ganze Flotte in Schlachtordnung; sie manöverieren wundervoll! Und wenn man bedenkt, daß seit acht oder zehn Jahren mein Marineminister, der General Acton, jährlich acht bis zehn Millionen verschlingt, indem er mir eine Flotte verspricht, die, ich niemals erblicke. Mit hundert Millionen sollte ich eine dreifach so große Flotte als diese hier haben. Begeben Sie sich in den Staatsrat, Madame, und teilen Sie diese meine Bemerkung Herrn Jean Acton mit. Dann übt sie vielleicht eine größere Wirkung auf ihn aus, als wenn ich es täte; denn wenn ich, um es kurz zu sagen, eine dreifach so große Flotte als jene dort hätte, so schlecht unser Pulver auch sein möchte, so könnten mir uns verteidigen, während dies rein unmöglich ist, da wir nur schlechtes Pulver und fünf oder sechs armselige Schiffe haben, die hintereinander herfahren!« Die Königin, welche die Absicht des Königs wohl verstand, biß sich auf die Lippen, daß sie beinahe bluteten, denn der König, sagte ihr zugleich damit: »Du hast einen Gatten, der ein Feigling, und einen Geliebten, der ein Dieb ist.«– »Sie haben recht, mein Herr,« sagte sie. »Ich werde in den Rat gehen und in dem Sinne sprechen, in welchem Sie es wünschen.« – »O, Sie haben Zeit! Sehen Sie, dort steigt Caracciolo allein an Bord. Sehen Sie nur, wie das gute Volk sich dafür interessiert! Ganz Neapel ist auf den Kais. Das schöne Gemetzel, wenn man sich schlüge! Freilich würde das ganze Gesindel sehr bald Reißaus nehmen.« –«Der unbarmherzige Zyniker!« murmelte die Königin. – »Hörst du ihn? Ich glaube, daß er, wenn er niemanden hätte, über den er spotten könnte, sich selbst verspotten würde.« – »Zum Teufel!« sagte der König, »die Unterredung hat nicht lange gedauert; da steigt Caracciolo schon wieder in seine Jolle. Noch vor zehn Minuten wird er hier sein. Erweisen Sie uns die Ehre, dem Rat beizuwohnen, Madame? Sie wissen, daß Sie das Recht dazu haben, seitdem Sie der Krone einen Erben gegeben. Sie haben selbst Tannucci daraus verstoßen, indem Sie von diesem Ihrem Rechte Gebrauch machten. Er war für die französische Politik, und Sie waren für die österreichische. O, wenn er doch hier wäre; er könnte uns einen guten Rat geben!« – Und der König verließ das Zimmer, indem er den Kopf schüttelte und sagte: »Armer Tannucci!«
55. Kapitel.
Ich mußte gestehen, daß ich wie
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