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Majestät mir erlauben, mich zurückzuziehen?« fragte Caracciolo, indem er sich an die Königin wandte. »Ich habe hier weiter nichts zu tun.« – »Ich ebensowenig,« sagte die Königin. »So will ich mich denn gleichfalls zurückziehen. Komm, Emma!«
Die Königin bedeutete mich, ihr zu folgen, ich gehorchte. Caracciolo trat zur Seite, um uns vorüber zu lassen, grüßte die Königin tief und ehrfurchtsvoll, als ich aber an ihm vorüberging, richtete er sich hoch auf und warf mir einen so verächtlichen Blick zu, daß die Schamröte mir ins Gesicht stieg. Das war die zweite Beleidigung, die er mir an diesem Tage zufügte. Die Königin ging schnell und ohne sich auch nur umzusehen, ob ich ihr folgte. Sie erreichte die Tür ihres Zimmers, stürzte hinein und sank auf ein Sofa, indem sie sich das Haar zerraufte. »Nun,« sagte sie, »du hast es gesehen! Mein Schwager Ludwig XVI. ist ein Löwe gegen diesen Menschen. O wieviel Schande werden wir hinunterschlucken müssen, meine arme Emma, wenn deine Regierung uns nicht zu Hilfe eilt.« – »Madame,« erwiderte ich, »ich bin nur eine arme Frau und mit der Politik sehr unbekannt, mir scheint es aber, als ob an allem diesem die Minister ebensoviel Schuld trügen, als der König.« – »Was du nur willst! Alle diese Männer sind nicht Minister, sie sind Lakaien. – Ah, mein armer Joseph, wenn du hier wärest, du würdest es nicht dulden, daß man deine Königin beschimpfte. – Hörst du, die Salven beginnen wieder. Die Republik faßt Fuß im Gebiete Neapels. – Wirklich, dieser Caracciolo ist eine mächtige Natur.« – »Mögen Ihre Majestät mir erlauben, ihn nur zu bewundern, ohne für ihn zu sympathisieren. Er ist nichts weniger als höflich gegen mich gewesen.« – »Alle Edelleute Neapels sind so – entweder kriechend wie die Lazzaroni oder stolz wie Barone des römischen Reiches. Diese Caraccioli behaupten, von den griechischen Kaisern abzustammen; sie sind stolz, aber doch wenigstens tapfer. Du hast diesen Caracciolo gesehen, man hätte ihm nur zu sagen brauchen, mit seiner »Minerva« das Admiralschiff anzugreifen, so hätte er sich darauf gefreut wie auf ein Fest. Mir gefallenunter allen Umständen solche Männer besser als wie jene Rohre, die sich unter jedem Lüftchen beugen.« – Die Königin näherte sich dem Fenster. – »Würde es dir nicht Vergnügen gemacht haben,« sagte sie, »von hier aus einem Gefechte zuzusehen? Sieh nur, mit welcher Unverschämtheit sie ihr revolutionäres Banner im Winde flattern lassen! ›Nehmen Sie diese Farben,‹ sagte Lafayette, indem er dem Könige seine Kokarde gab, ›Sie werden die Reise um die ganze Welt machen.‹ Ich hoffe, England wird nicht erlauben, daß diese stolze Prophezeiung in Erfüllung geht. O, wenn ich daran denke, daß am anderen Ende dieses Palastes ein Franzose uns Gesetze vorschreiben will, im Namen einer Regierung, welche meine Schwester gefangen hält und meinen Schwager vielleicht köpfen will, so werde ich wirklich wahnsinnig vor Wut.«
In demselben Augenblicke klopfte man leise an der Tür. Ein Türsteher meldete den englischen Gesandten. »Er möge eintreten! er möge eintreten!« rief die Königin. Dann reichte sie Sir William die Hand und sagte: »Ah, Sie kommen gerade zu rechter Zeit. Sie wissen doch, was bei uns vorgeht?« – »Ich weiß, was man erzählt, weiter nichts. Mögen Ihre Majestät mir aber erlauben, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen.« – »Jetzt kommt auf mein Befinden nichts an! Jetzt muß man sich um das Befinden des Königreiches bekümmern. Wir sind sehr krank, mein lieber Hamilton, und wenn Monsieur Pitt uns nicht zu Hilfe kommt, so fürchte ich ernstlich, daß man uns, gleich wie meinem Bruder Ludwig XVI. am 20. Juni die rote Mütze über die Ohren zieht.« – »Monsieur Pitt, Madame« sagte Sir William, »wird Ihnen zu Hilfe kommen, daran zweifeln Sie nicht. Er folgt jedoch einem Systeme, welches ich nicht billigen kann, da es den Wünschen Ihrer Majestät zuwiderläuft. Mr. Pitt ist ein Whig, der Tory geworden ist, das vergessen Sie nicht, er will, daß Frankreich selbst den Fluch der Nation auf sich lade.« – »Ja, das heißt, anstatt Ludwig XVI. zu retten, was wohl hätte geschehen können, wenn er sich der Koalition angeschlossen, will er ihn rächen, wenn die Franzosen ihn hingerichtet haben werden. Übrigens verlange ich sehr viel, wenn ich will, daß der Minister einer Nation, die Carl den Ersten enthauptet hat, erzürnt sein soll, weil eine
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