TITLE
Kutscher, durch die Straße Santa-Lucia zu fahren. Kaum waren wir auf dem Kai angekommen, so sahen wir, wie die ganze Flotte wieder in den Hafen segelte, nicht aber in der bewunderungswürdigen Ordnung wie vor einigen Tagen, sondern wie ein Schwarm verscheuchter Seevögel, deren jeder nach Kräften sich anstrengt, ein schützendes Obdach zu gewinnen. Wir erreichten das Schloß. Eilig hatte man den Staatsrat zusammenberufen, und als wir die große Treppe hinaufstiegen, begegneten wir demselben Kapitän Caracciolo, den herbeizurufen man für gut erachtet, obgleich er das erste Mal ganz anderer Meinung gewesen als der König.
Sir William begleitete mich bis zu dem Zimmer der Königin und begab sich in das Konseilzimmer. Als ich bei der Königin eintrat, erzählte ich ihr die Begegnung, die ich soeben auf der Treppe gehabt. Sie klingelte.
»Man soll den Kapitän Caracciolo bitten, zu mir zu kommen, ehe er sich in den Staatsrat begibt,« sagte sie, »ich habe mit ihm zu sprechen.«
Dann zog sie mich mit fort und sagte: »Verstehst du etwas von dem, was vorgeht? Wir, die wirglaubten, diese französische Flotte los zu sein! Was will denn dieser Admiral von Latouche-Tréville mit seinen dreifarbigen Bannern und Kokarden bei uns? Will er hier republikanische Propaganda machen, um auch bei uns Revolution zu erregen! O, sie mögen sich nur in acht nehmen! Wir sind noch zeitig genug gewarnt worden. Mit uns haben sie nicht so leichtes Spiel wie mit Ludwig dem Sechzehnten und Marie Antoinette. Was mich betrifft, so erkläre ich, daß ich erbarmungslos sein werde.«
Ich hatte noch nicht Zeit zum Antworten gefunden, als die Tür sich öffnete, und man den Kapitän Francois Caracciolo anmeldete. »Kommen Sie, kommen Sie, mein Herr!« sagte die Königin. »Sie sind der einzige, der neulich meiner Meinung war.« Caracciolo verbeugte sich. »Und das ist ein großes Glück für mich,« sagte er, »denn neulich sprachen Ew. Majestät im Namen der neapolitanischen Ehre.«
»Nun, heute sagen Sie einmal offen, was geht jetzt vor?«
»Das, was ich vorausgesehen habe, Madame. Die französische Flotte ist vom Sturm zerstreut und beschädigt worden. Wenn wir nun vierundzwanzig Stunden Widerstand geleistet hätten, so wären wir Herren der Situation.«
»Können wir es nicht noch werden?«
»Inwiefern, Madame?« – »Ihrer Meinung nach kommt die französische Flotte nur wieder nach Neapel zurück, weil sie Schaden gelitten?« – »Nach dem, wie ich es beurteilen kann,« sagte Caracciolo, indem er nach dem Meere blickte, »ist kein einziges Schiff unbeschädigt geblieben.« – »Nun gut, wenn man die Situation nun benutzte und heute das versuchte, was man neulich nicht zu tun gewagt, würden Sie dann immer noch bereit sein, das Admiralschiff mit Ihrer Korvette anzugreifen?« – »Das ist unmöglich, Majestät.« – »Wie, unmöglich?« – »Ja, denn neulich schlug ich vor, einen Feind angreifen zu wollen.« – »Und jetzt?« – »Und jetzt ist dieser Feind unser Verbündeter geworden.« – »Unser Verbündeter?« – »Gewiß. Ein Wort ist gewechselt, ein Vertrag ist unterzeichnet worden. Neulich wollte der Admiral von Latouche-Tréville einer feindlichen Nation Gesetze vorschreiben, heute sucht er um die Hilfe eines verbündeten Königreiches nach. Neulich zu kämpfen, war meiner Meinung nach eine Pflicht, heute anzugreifen, wäre ein Verrat.«
»Und wenn der König Ihnen dennoch Befehl dazu gäbe?« – »Anzugreifen?« – »Ja.« – »Ich hoffe, Madame, daß derKönig mir keinen solchen Befehl geben wird.« – »Wenn er Ihnen aber dennoch einen solchen gäbe?«
»Dann würde ich den Kummer haben, meine Entlassung bei ihm einzureichen.« – »Du hörst es, Emma!« rief die Königin, indem sie sich nach mir herumdrehte. »Beurteile die andern nach ihm; dies ist ihre Ergebenheit für uns!« Und zu Caracciolo gewendet fuhr sie fort: »Es ist gut, mein Herr, ich habe alles von Ihnen erfahren, was ich wissen wollte; ich halte Sie nicht länger zurück.« Caracciolo verneigte sich und ging hinaus.
»Jetzt erklärt sich alles,« fuhr die Königin fort. »Die Flotte hat Schaden gelitten und in Neapel will man sie wieder ausbessern. Warum nicht? Ist Neapel denn nicht, wie der Bürger Caracciolo«–sie betonte das Wort Bürger – »gesagt hat, mit dieser französischen Republik, welche soeben den Königen den Krieg erklärt hat, und meinen Schwager enthaupten will, verbündet?« Ich blieb stumm.
»Nun,« fragte die Königin,
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