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als nur Plünderung. So unterstützt er seinen Anführer, ohne ihm zu gehorchen; er folgt seinem Beispiel, aber nicht seinen Befehlen. Massen waren vor den Franzosen geflohen, nur vereinzelte Scharen marschierten gegen sie; eine Armee war verschwunden.
Was die Vorgänge in der Stadt betrifft, so war hier die furchtbarste Verwirrung zu sehen. Eine ganze Klasse der Gesellschaft, der Mezzoceto, die, welche sich Patrioten nannten und die man Jakobiner hieß, hielten sich zu Haus eingeschlossen, denn sie fürchteten sich der Wut des Volkes auszusetzen, die durch den Anblick eines langen Beinkleides oder eines à la Titus frisierten Kopfes bis aufs höchste gesteigert werden konnte. Ungeheure Zusammenrottungen bildeten sich auf allen Plätzen, auf dem Largo Castello, auf dem Largo de la Trinita, auf dem Largo delle Pigne, auf dem Mercatello, auf dem Altmarkt, kurz überall, wo man Gerüste gebaut, und wo von diesen Gerüsten herab mit einem Kruzifix in der Hand ein Mönch predigte. Die Lazzaroni betrachteten sich als die Häupter dieser Versammlungen, stellten sich an die Spitze derselben und liefen durch die Toledostraße, die Chiaja und die Santa Lucia, indem sie riefen: »Es lebe der König, Tod den Jakobinern! Tod den Franzosen!« Vor ihnen schlossen sich alle Türen, alle Läden, alle Fenster. Als der Abend kam, zündete man, da man im Dezember stand und das Wetter regnerisch und kalt war, große Feuer an und verbrachte die Nacht in ihrer Nähe, indem man trank, sang und heulte.
Die Königin sah oft zu den Fenstern hinaus und konnte nicht umhin, über den Sturm zu erschrecken, den sie zu entfesseln beigetragen hatte, ohne zu wissen, ob unter diesen Windstößen nicht auch der Thron untersinken würde. Indessen faßte der König beidem Anblicke des allgemeinen Aufstandes, bei den Nachrichten, die aus der Provinz kamen, wieder einigen Mut. Er ließ den schwachen Willen merken, den Widerstand zu organisieren und die Franzosen zu erwarten. Die Bauern fuhren fort Wunder des Fanatismus, und die Offiziere Wunder der Feigheit zu vollbringen. Tchudy, ein alter Oberst aus der Schweiz, der in Gaëta kommandierte, hatte die Tore dieser Festung geöffnet, obgleich dieselbe für uneinnehmbar galt. Civitella del Tronto, eine Festung, die auf einem unzugänglichen Berge lag, wurde von einem Spanier, dessen Name ich nicht mehr weiß, verteidigt. Nach zehn Stunden Belagerung ergab er sich mit seiner ganzen Garnison als Kriegsgefangener. Der Gouverneur des Forts von Pescara wartete gar nicht einmal, bis die Belagerung begann, sondern ergab sich bei den ersten feindseligen Kundgebungen. Dafür aber sengten, würgten und metzelten die Bauern alles nieder, was ihnen unter die Hände kam. Sie hatten sich der Stadt Teramo bemächtigt, die sie den Franzosen wieder abgenommen. Eine Masse Freiwillige waren aus der Terra di Lavoro ausmarschiert, und zogen den Garigliano entlang, indem sie die Brücken abbrachen, sich auf der Landstraße in den Hinterhalt legten, und Boten, einzelne Leute, ja sogar kleine Abteilungen von Soldaten ermordeten.
Auf der andern Seite, und wenn auch Gaëta, Civita del Tronto und Pescara sich ergeben hatten, so war Capua standhaft, und Macdonald erlitt hier einen schweren Verlust. Duhesme war vor demselben Capua mit zwei noch blutenden Wunden angekommen, dem General Maurice Mathieu war eine Kugel durch den Arm gegangen; der Oberst von Arnaud war gefangen genommen worden, der General Boisregard war getötet und Championnet kam keuchend aus der Terra di Lavoro heraus – und nannte die noch unbekannten Namen Fra Diavolo und Mammone, welche später eine so traurige Berühmtheit erlangen sollten. Die Täuschung verschwand. Wenn die Franzosen auch immer unbesiegbar waren, so waren sie doch wenigstens nicht mehr unverwundbar. Auch sagte man, daß die Franzosen sich bei Capua nicht in der Hoffnung, dasselbe einzunehmen, vereinigten, sondern um sich einen ehrenhaften Rückzug zu bereiten. Alle diese Nachrichten gaben den Neapolitanern das Vertrauen wieder, Ferdinand war so geliebt, daß er die Mißliebigkeit Actons und der Königin beim Volke nicht bloß aufwog, sondern auch vergessen machte. Jene eilige Flucht, die dem König die Achtung aller Leute von Charakter geraubt, hatte nur dazubeigetragen, ihn den Lazzaroni noch werter zu machen. Einer sagte dem andern wiederholt, daß Ferdinand, von seiner Armee verraten, gekommen sei, sich in ihre Mitte zu flüchten. Übrigens sagten sich die vernünftigen Freunde des Königtums
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