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eine Meile entfernt war, in der man aber schon neben einem an Händen und Füßen gefesselten Mann jenen Bauer sehen konnte, der uns am Abend des vorletzten Tages aufgesucht und das Angebot gemacht hatte, Caracciolo zu verraten. Er hatte seinVersprechen gehalten, brachte seinen Herrn und wollte sich sein Geld holen. Nelson und Sir William schienen außer sich vor Freude. Ich sah alles gewissermaßen nur mit den Augen meines Freundes und meines Geliebten an und muß gestehen, ich hielt nach allem, was ich von ihm hatte erzählen hören, den Admiral für einen Verräter und schweren Verbrecher, so daß ich mich mit ihnen über seine Gefangennahme freute. Und doch krampfte sich mir das Herz zusammen beim Anblick dieses Mannes, der jedesmal, wenn ich ihn mit der Königin hatte sprechen hören, die Sprache eines tapferen Kriegers und eines Ehrenmannes geführt hatte. Ich ließ Nelson und Sir William sich ihres Triumphes freuen, und in der Meinung, daß es sich für eine Frau nicht gezieme, daran teilzunehmen, stieg ich in mein Zimmer hinab, dessen Tür ich verschloß. Ich wußte, wie Nelson seinem Kollegen gesinnt war; ich hatte den Brief gelesen, den mein Mann am vorigen Tage an Acton geschrieben: ich konnte daher nicht an dem Schicksal zweifeln, das dem Gefangenen vorbehalten war.
Ein Brief Sir Williams an General Acton besagt, in welchem Zustande Caracciolo an Bord des »Foudroyant« gebracht wurde; ich führe hier die betreffende Stelle an, die sich auf den neapolitanischen Admiral bezieht: »Wir sahen Caracciolo vor uns; blaß, mit langem Barte, halb tot, die Augen senkend, wurde er an Bord des Schiffes gebracht, wo er nun mit dem Sohne Cassanos, Don Giulio, dem Priester Pacifico und andern schändlichen Verrätern zusammentraf. Ich vermute, man wird die Schuldigsten ohne weiteres aburteilen. Vor allem ist es vorteilhaft, daß wir diese Haupträdelsführer gerade zu der Zeit in unserer Gewalt haben, wo Sant-Elmo angegriffen werden soll. Wir können für jede Kugel, die die Franzosen auf uns abfeuern, einen Kopf fallen lassen.« Ich führe dieses Bruchstück eines Briefes aus zwei Gründen an: erstens, weil es Einzelheiten über den Transport des unglücklichen neapolitanischen Admirals an Bord des englischen Schiffes enthält; zweitens, weil es beweist, bis zu welchem Grade die sanftesten, wohlwollendsten Gemüter von dem grausamen Feuer des Bürgerkriegs erhitzt waren. Sir William, ein Mann des Kabinetts, ein kultivierter, menschenfreundlicher Geist, ein dem Kult der Antike gewidmeter Gelehrter, der das Schöne ebenso innig verehrte wie ein griechischer Bildhauer, mußte von einer seltsamen Störung der Ideen ergriffen sein, um einen solchen Brief zu schreiben. Das Unglück derer, welche in diesen heißen Tagen der Revolution unter demglühenden Hauche des Parteigeistes eine Rolle spielen, liegt darin, daß sie von Menschen beurteilt werden, die in gewöhnlichen Zeiten, in gemäßigten Epochen leben. Jener verhängnisvolle Tag des 29. Juni 1799 hat einen Blutflecken auf unsern drei Namen zurückgelassen und dennoch – davon bin ich überzeugt – glaubten Nelson und Sir William eine Pflicht zu erfüllen, und ich, von Natur schwach und die Verbrechen mit den Augen der Königin betrachtend, ich tat, wie ich eingestehe, zur Rettung des unglücklichen Admirals nicht das, was unter anderen Umständen mein Herz mir befohlen haben würde, zu tun.
Man verzeihe mir diese Abschweifung, Caracciolos Tod, welchen alle meine Bitten und alle Gewalt, die ich über Nelson besaß, wahrscheinlich nicht hätten verhindern können, ist gleichwohl die blutende Wunde meines Lebens geblieben. Bis zu diesem Tage verachtete mich die Welt vielleicht mit Unrecht, von diesem Tage an aber hat sie mich gehaßt, und zwar mit Recht. Ich werde nichtsdestoweniger fortfahren, alle Einzelheiten jenes furchtbaren Tages zu erzählen, wie sehr mir auch diese Erzählung das Herz zerreißen mag. Sobald als Caracciolo den Fuß auf das Deck des »Donnerer« gesetzt, ward Befehl gegeben, seinen Prozeß zu beginnen. Nelson entwickelte bei dieser ganzen furchtbaren Angelegenheit eine fieberhafte Hast, die sich kaum durch die Geringschätzung erklären läßt, womit Leute, welche jeden Augenblick ihr Leben aufs Spiel setzen, auch das Leben anderer betrachten. Man hat von Eifersucht gesprochen und behauptet, Nelson habe in Caracciolo einen Nebenbuhler seines Ruhmes gesehen. Diese Anklage ist eine völlig ungereimte. Selbst in der französischen Marine hatte
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