Tochter der Finsternis: Die Chroniken des Magnus Bane (04) (German Edition)
wurden, aber selbst er hatte noch nie gesehen, wie eine ganze Familie so entsetzlich schnell und tief abstürzte. Benedicts Söhne Gabriel und Gideon hatten es geschafft, durch tadelloses Verhalten und die Gnade der Konsulin Charlotte Branwell, ihr Ansehen mühsam wiederherzustellen. Bei ihrer Schwester lag die Sache allerdings ein bisschen anders.
Wie es ihr gelungen war, den Familiensitz der Lightwoods wieder in ihre Finger zu bekommen, war Magnus ein Rätsel. Will hatte sie als so verrückt wie eine Maus, die in einer Teekanne festsitzt, bezeichnet und angesichts des tiefen Falls der Familie hatte sich Magnus schon darauf eingestellt, dass die Villa wohl nicht mehr ganz die Pracht aus Benedicts Tagen aufweisen würde. Zweifelsohne war es inzwischen etwas heruntergekommen und eingestaubt, denn es gab wohl nur noch einige wenige Diener, die das Anwesen in Ordnung hielten …
Die Kutsche, die Magnus gemietet hatte, hielt an.
»Sieht ziemlich verlassen aus«, meinte der Kutscher mit einem skeptischen Blick zum Eisentor, das vollständig von Weinranken überwuchert wurde und so aussah, als sei es komplett verrostet.
»Oder verflucht«, bemerkte Magnus gut gelaunt.
»Na ja, ich komm da jedenfalls nicht rein. Das Tor geht ja nicht auf«, erwiderte der Kutscher missmutig. »Sie werden schon aussteigen und laufen müssen, wenn Sie wirklich da reinwollen.«
Magnus wollte. Seine Neugier war geweckt. Er schlich auf das Tor zu wie eine Katze, bereit, notfalls auch darüber zu klettern.
Eine kleine Prise Magie – eine Art Entriegelungszauber – und das Tor flog in einem Regen aus Rostflocken auf. Dahinter kam eine lange, mit Unkraut zugewachsene Auffahrt zum Vorschein, die zu einer gespenstischen Villa führte, die in der Ferne schimmerte wie ein Grabstein bei Vollmond.
Magnus schloss das Tor hinter sich, schlenderte die Auffahrt entlang und lauschte dabei den Geräuschen der Nachtvögel in den Baumkronen über ihm. Um ihn herum rückte ein Urwald aus schwarzem Gestrüpp drohend näher – das war alles, was von den berühmten Gärten der Lightwoods übrig geblieben war. Diese Gärten waren einst wunderschön gewesen. Magnus erinnerte sich entfernt daran, dass er einmal gehört hatte, wie Benedict Lightwood sie im Vollrausch als die ganze Freude seiner verstorbenen Frau bezeichnet hatte.
Doch nun waren die hohen Hecken des italienischen Gartens zu einem teuflischen Labyrinth verwachsen, aus dem es ganz eindeutig kein Entkommen gab. Wie es hieß, hatten sie Benedict Lightwood in diesen Gärten getötet und das schwarze Sekret, das unaufhaltsam aus den Wunden des Monsters geströmt war, war in die Böden gesickert.
Etwas kratzte über Magnus’ Hand und als er hinuntersah, entdeckte er einen Rosenstrauch, der überlebt hatte, aber verwildert war. Er brauchte allerdings einen Moment, um die Pflanze zu identifizieren, denn obwohl ihm die Form der Blüten sofort bekannt vorkam, brachte ihn deren Farbe doch ein wenig aus dem Konzept. Die Rosen waren so schwarz wie das Blut des toten schlangenartigen Dämons.
Er pflückte eine. Die Blume zerfiel in seiner Hand wie Asche, als wäre sie schon lange tot gewesen.
Magnus ging weiter auf das Haus zu.
Die unheimliche Verwandlung, die mit den Rosen vorgegangen war, hatte auch vor der Villa nicht haltgemacht. Die einst strahlend weiße Fassade war über die Jahre grau geworden und mit schwarzen Schlieren und grünen Flechten überzogen. Um die blank polierten Säulen wanden sich welkende Ranken und an den Balkonen, die in Magnus’ Erinnerung wie das Innere eines Alabasterkelches aussahen, hatte sich dunkles Dornengestrüpp und der Schutt mehrerer Jahre des Verfalls gesammelt.
Der Türklopfer war früher ein glänzender goldener Löwenkopf mit einem Ring im Maul gewesen. Nun lag der Ring halb verrottet auf dem Treppenabsatz und das graue Maul des Löwen sah aus wie zu einem hungrigen Knurren verzerrt. Magnus klopfte forsch an. Er hörte den Klang durch das Innere des Hauses hallen wie durch die bedrückende Stille eines Grabes, in der jedes Geräusch einer Störung gleichkam.
Magnus war inzwischen so sehr davon überzeugt, dass alle in diesem Haus tot waren, dass er regelrecht erschrak, als die Frau, die ihn herbestellt hatte, die Tür öffnete.
Es war natürlich höchst ungewöhnlich, dass eine Dame ihres Standes selbst zur Tür ging, aber so, wie das ganze Anwesen aussah, nahm Magnus an, dass sie dem gesamten Personal für das Jahrzehnt freigegeben hatte.
Magnus konnte
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