Tochter der Hoffnung (German Edition)
überdachte. Dieses schreckliche Ereignis würde die Menschen nur noch mehr gegen ihn aufbringen. Auch er hatte Quellen. Immer mehr von Alasdair`s Untergebenen hatten in den letzten Wochen die Seiten gewechselt und waren zu den Rebellen übergelaufen. Es kam nicht selten vor, dass Dorfbewohner Selbstjustiz verübten, wenn jemand als Spitzel enttarnt wurde. Und doch blieb die Frage seines Gewissens, ob er das Geschehene hätte verhindern können. Hör sofort auf damit. Ailish war mittlerweile immer öfter als Schatten in seinen Gedanken zu spüren. Er hätte daran denken müssen, sie vor seinen Gedanken abzuschirmen. Liamh, es bringt nichts, sich jetzt Vorwürfe zu machen. Wir wussten nicht, was genau Alasdair vor hatte. Viele Menschen sind gestorben, weil ein Verrückter beschlossen hat, sie alle zu vernichten. Nicht, weil du nicht da warst. Im schlimmsten Fall wärst auch du bei den Kämpfen gestorben, hättest du andere Rebellen aufgesucht. Und was hätte das gebracht? Menschen, die dich lieben, hätten um dich getrauert und die Rebellen hätten einen weiteren Anführer verloren. Ailish hatte recht. Es brachte nichts, sich jetzt dem Selbstmitleid zu ergeben.
Danke. Fianna unterbrach ihre Unterhaltung.
„ Seht ihr, dort vorn? Laut den Ältesten müssen wir dieses überschwemmte Gebiet durchqueren. Es zu umgehen würde drei Tagesreisen bedeuten.“ Ailish schaute in die genannte Richtung. Vor ihnen erstreckte sich nun eine Wasserlandschaft, in der als einziges Leben Bäume zu erkennen waren, deren Wurzeln im dunklen Wasser verschwanden. Die Sonne war gerade im Begriff unter zu gehen und tauchte die Landschaft in strahlende rot und orange Töne. Dort, wo die Sandebene endete, durch die sie bis jetzt gereist waren, lagen mehrere Bote auf weichem Sand. Die vier Reisenden gönnten sich eine kurze Pause.
„ Fianna, du wirst über uns hinweg fliegen und unser Auge vom Himmel aus sein. Wir werden mit einem dieser schwimmenden Holzgestelle reisen.“ Coimeádaí`s Stimme war deutlich anzuhören, dass ihm dieser Gedanke ganz und gar nicht gefiel. Ailish hingegen war froh, ihre Beine und Arme etwas ausruhen zu können. Gerade, als sie das Boot ins seichte Wasser schoben, erlosch der letzte Sonnenstrahl und zurück blieben eine unheimliche Stille und die Dunkelheit. Einzig das silbrige Mondlicht gab ihnen die erforderliche Sicht. Die Äste der kahlen Bäume erschienen Ailish wie Arme, die nach ihr griffen. Kein Geräusch war zu hören außer das Eintauchen des langen Stabs, mit dem Liamh das kleine Boot durch das Wasser bewegte. Kein Vogel, keine Insekten waren zu hören geschweige denn zu sehen. Wie gebannt starrte Ailish auf die Bewegungen des Wassers, wenn der Stab tief bis auf den Boden eintauchte. Dort, wo die Wasseroberfläche ruhig war schimmerte das Mondlicht in seiner silbernen Pracht. Ein wenig erinnerte Ailish die Szene an Venedig. Vor einigen Jahren war sie mit einer Freundin für ein kurzes Wochenende in die Stadt der Liebe gereist und hatte sich den Spaß geleistet, sich mit einer Gondel durch die Wasserstraßen der Stadt fahren zu lassen. Liamh stand in dem kleinen Boot und hielt wie immer wachsam Ausschau nach möglichen Gefahren.
Coimeádaí hatte es sich auf dem Boden des Bootes gemütlich gemacht und die Laute, die von ihm zu hören waren, ließen darauf schließen, dass ihm diese Fahrt überhaupt nicht behagte. Über sich sah Ailish immer wieder Fianna`s Schatten, der über sie hinweg glitt. Automatisch suchte sie immer wieder die seelische Verbindung zu der Stute, nur um sicher zu gehen, dass bei ihr alles in Ordnung war. Wenn sie die Verbindung wieder unterbrach, spürte sie eine bleierne Müdigkeit, die sich jetzt zu dieser späten Stunde in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Es dauerte nicht allzu lange, da erreichten sie auch schon das Ende dieser seltsamen Wasserlandschaft. Sowohl die große Katze als auch Ailish waren froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.
„Wir sollten uns einen Schlafplatz für die Nacht suchen.“ Dankbar nickend stimmte Ailish Liamh`s Vorschlag zu. Sie wollte es nicht wirklich zugeben, doch im Moment wollte sie nichts weiter als sich schlafen zu legen. Einige Meter vom Wasser entfernt errichteten sie ihr Lager. Ein Feuer wärmte sie und verströmte zugleich etwas Beruhigendes. Ein großer Nussbaum mit herzförmigen blau-grünen Blättern gab ihnen ein wenig Schutz vor dem kalten Wind, der aufgezogen war. Dieser Baum war weit und breit der einzige
Weitere Kostenlose Bücher