Tochter der Hoffnung (German Edition)
Dank dem abnehmenden Mond hatten sie genug Licht, um sich auf dem unebenen Weg nicht die Hälse zu brechen, so schnell folgten sie dem schwarzen Pantar.
Schnaufend und außer Atem erreichten sie eine Anhöhe, auf der Fianna stand und auf sie wartete. Als Ailish ihren Blick über die Ebene schweifen ließ, befiel sie ein trauriges Gefühl. Zitternd zog sie die Decke fester um ihre Schulter.
„ Hier muss es sein! Spürt ihr es auch?“ Unruhig schaute Liamh sich um. Dieser Ort roch nach Tod. Der Boden war pechschwarz und nur vereinzelt hatten sich Grasbüschel aus der harten Erde gekämpft, die sich nun im leichten Wind hin und her wiegten. Auch hier war weit und breit kein Tier zu sehen oder zu hören. Schweigend machten sie sich auf den Weg in die Mitte der Ebene. Nur anhand von einzelnen Steingruppen konnte man erkennen, dass hier vielleicht einmal Häuser standen und Menschen diese Ebene vor langer Zeit bewohnt hatten. Ailish spürte eine eigenartige Kälte, die sich an ihren Beinen hochzog. Leichter Nebel zog auf und verschlechterte die Sicht.
„Und was machen wir jetzt?“ Abwartend schaute Liamh erst Coimeádaí und dann Fianna an. Fianna`s Schweif schlug nervös hin und her. Dann antwortete sie mit leiser Stimme. Auch ihr schien dieser Ort sehr zuzusetzen.
„ Ich weiß es nicht genau. Dieser Ort gibt uns keinerlei Informationen preis.“ Ailish, der eine Idee in den Sinn kam, nagte nervös auf ihrer Unterlippe herum. Ob das funktionieren würde? Doch wenn sie es nicht ausprobierte, würde sie es nie erfahren.
„Ich werde etwas versuchen. Ich habe aber keine Ahnung, ob es funktioniert. Lasst mir ein paar Sekunden Zeit.“ Ailish atmete tief ein, überlegte sich in Gedanken die richtigen Worte. Erst, als sie mit dem Spruch zufrieden war, kniete sie sich auf die Erde, berührte mit den Fingerspitzen ein Grasbüschel und sprach den Zauberspruch laut aus. Dabei bemerkte sie, wie ihre Halskette anfing zu leuchten und gleichzeitig Wärme ausstrahlte.
„ Die Zeit überspringen, Geschehens sehen, Gedanken erfahren.
Mein Begehren ist es, die Vergangenheit zu bewahren.
Ich bitte die Geister dieses Ortes uns zu zeigen, was geschah, an diesem einen Schicksalshaften Tag.“
Ein paar Augenaufschläge lang passierte rein gar nichts. Doch dann frischte der Wind mit einem Mal auf. Erst waren nur Stimmen zu hören. Lachen und laute Unterhaltungen. Kinderstimmen und Hundegebell waren zu hören. Dann atmete Ailish den Duft von Torffeuern, Heu und Pferdeställen ein. Der Nebel schien sich zuerst noch mehr zu verdichten. Doch dann tauchten langsam die Bilder von Häusern und Menschen in den Nebelschwaden auf. Mit angehaltenem Atem schaute sie sich um. Anders als zuvor war jetzt helllichter Tag und am Himmel waren nur vereinzelt Wolken zu sehen. Um sie herum bewegten sich Frauen, Männer und Kinder jeden Alters im geschäftigen Treiben der Stadt. Die Häuser waren mit terrakottafarbenen Steinen erbaut worden.
„ Bleibt dicht beisammen.“ Coimeádaí`s Stimme erinnerte Ailish daran, dass sie an etwas denken mussten. Das Buch. Was war damals geschehen? Langsam liefen sie durch die Gassen und bewunderten staunend die Gebäude aus der damaligen Zeit. An jeder Wand eines jeden Hauses waren die Namen der Bewohner eingemeißelt. In der Mitte der Stadt befand sich ein großes Gebäude mit riesigen Flügeltüren. Anders als die anderen Gebäude war dieses Haus in einem kräftigen Gelbton gestrichen worden. Menschen kamen und gingen mit Büchern und zusammengerollten Papieren in der Hand in dieses Gebäude. Ailish vermutete, dass es sich hier um eine Art Bibliothek handeln musste. Ein junger Mann, Ailish schätze ihn auf Anfang zwanzig, rannte im schnellen Tempo aus dem Inneren des Gebäudes auf den Vorplatz hinaus. Sein Gesicht war aschfahl und seine Hände zitterten. Irgendetwas hatte er unter dem Stoff seiner Jacke versteckt. Auf der Nase trug er eine Brille, deren Gläser mehrere Risse aufwiesen. Und dann veränderte sich das Schauspiel. Dunkle Wolken zogen auf und innerhalb von ein paar Sekunden zerrissen wütende Blitze den Himmel. Einer dieser Blitze traf den Mann im Rücken und ließ ihn zu Boden fallen. Doch noch immer hielt er etwas unter seiner Kleidung fest umklammert. Liamh hielt sie am Arm zurück, als sie instinktiv auf den verletzten Mann zugehen wollte.
„Denk daran, das alles ist vor langer Zeit geschehen. Wir können nichts an dem Geschehen ändern.“ Nickend gab sie Liamh zu verstehen, dass sie ihn
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