Tochter der Hoffnung (German Edition)

Danil ihn an und antwortete: „Ich kann es nicht genau beschreiben, aber ich fühle mich gut. Leicht. Irgendwie so schwerelos, als ob ich etwas zurückerhalten habe, was mir verloren ging.“
    Danil beschloss, einen Versuch zu wagen und drehte sich zu den am Boden liegenden Blüten um. Mit einer Handbewegung zeichnete sie mehrere kleine Kreise in die Luft. Ailish beobachte erstaunt, wie der Wind synchron mit Danils Handbewegungen die Blüten und Blätter, die am Boden lagen, aufhob und die gleichen Kreise in der Luft vollzog.
    „Seht ihr das?“ Die Heilerin zog immer größere Kreise in der Luft, versuchte verschiedene Muster und ließ letztendlich die Blüten auf sie alle hinunter schweben. Verzückt fing Ailish eine der Handflächen großen Blüten auf und steckte sie in den Lederbeutel, den sie die ganze Zeit über ihrer rechten Schulter getragen hatte.
    „Es scheint so, als ob meine Macht wieder zurückgekehrt ist“, rief Danil überglücklich.
    „Das ist Richtig. Doch nur hier, an diesem Ort, ist dies möglich.“ Erschrocken fuhren sie zu der fremden Frauenstimme herum. Am oberen Ende einer der Wege, die ins Tal hinunter führten, stand eine alte Frau auf einen Stock gestützt und blickte sie aus wachsamen Augen an. Ihre Augen schienen irgendwie nicht zu ihrem äußeren Alter zu passen, ging es Ailish durch den Kopf. Einen nach dem Anderen schaute sie sich von oben bis unten an. Die Männer hatten sich kampfbereit vor den beiden Frauen aufgestellt und ließen ihrerseits die alte Frau nicht aus den Augen. Zuletzt fiel ihr Blick auf Ailish. Als der alten Frau alle Farbe aus dem Gesicht wich, stützte sie sich etwas mehr auf ihren Stock. Ailish, der das seltsame Verhalten der Alten aufgefallen war, trat einen Schritt vor, um sie sich genauer anzuschauen. Doch Liamh, der nicht wusste, ob die Frau nun wirklich eine Gefahr für sie darstellte, hielt Ailish auf und fragte: „Wer bist du?“
    „Das ist im Moment noch nicht von Bedeutung. Wenn ihr jedoch die Antworten auf eure Fragen wollt, folgt mir ins Tal. Der Aufstieg hierher hat mich bereits geschwächt. Sobald wir in meiner Behausung angekommen sind, werde ich deine Fragen beantworten, Kind.“ Die letzten gesprochenen Worte richtete sie direkt an Ailish.
    „Woher wissen wir, dass wir dir trauen können?“ Forderte Duncan die Alte heraus.
    „Glaubt ihr denn, dass eine alte, gebrechliche Frau wie ich euch etwas anhaben kann? Dann scheinen eure Kampfkünste ja nicht viel zu taugen, “ spottete sie. Dennoch verkrampfte sie nervös die Hände am obersten Griff ihres Stockes.
    Sie hatte gewusst, dass es einmal dazu kommen würde. Dass sie sie wiedersehen würde. Doch trotz aller Vorbereitung war sie auf den Anblick nicht vorbereitet gewesen.
    Liamh trat einen Schritt vor und richtete das Wort an die alte Frau:
    „Wenn du uns Antworten geben kannst, werden wir dir folgen. Solltest du jedoch versuchen, uns zu hintergehen oder zu täuschen, wirst du sehen, was du davon hast, alte Frau.“ Diese nickte nur und drehte sich um, in der Gewissheit, dass die kleine Gruppe ihr folgen würde.
    Der Abstieg erwies sich als beschwerlich, immer wieder mussten sie fast unpassierbare Wege nehmen. Die Alte lief für ihr Alter erstaunlich schnell und kletterte sogar mehrfach behände über im Weg liegende Baumstämme. Als sie einen Weg direkt entlang der Klippen passierten, blieben Ailish und Danil einige Momente stehen, um der Urgewalt des Meeres zuzuschauen. Die Kraft und auch die Beständigkeit des Meeres waren beeindruckend. Sobald sie sich wegdrehten, nahmen die gewaltigen Berge im Hintergrund das Panorama ein. Danil versuchte nicht noch einmal, ihre Kräfte zu testen, denn die Landschaft nahm sie vollständig in ihren Bann. Auch unten im Tal gab es viele Magnoliensträucher in den verschiedensten Farben. Auch wenn Ailish sich nicht so sehr mit Pflanzen auskannte, so erkannte sie doch mehrere Passionsblumen mit ihren wunderschönen roten, lila oder auch blauen Blüten. Die Pflanzen trugen  Früchte wie Maracuja oder Grenadillen. Sie hatte einmal eine Passionsblume als Zimmerpflanze in ihrem Büro in Italien gehabt. Ihr Magenknurren erinnerte Ailish daran, dass sie schon seit längerem nichts mehr gegessen hatte.
    Nach Stunden, so schien es Ailish, wurde die Alte langsamer und am Ende des schmalen Weges, auf dem sie seit einer Ewigkeit gelaufen waren, konnte man ein Haus aus Holz erkennen, welches am Ende des Waldes an einer Lichtung erbaut wurde. Die Alte bedeutete