Tochter der Hoffnung (German Edition)
Fische und ein einziges großes Seewesen. Bis jetzt ist kein Seemann zu Schaden gekommen. Man erzählt sich eben nur Geschichten über ein großes Tier mit einem langen Hals, einem langen Schwanz und vier Schwimmflossen, das so groß ist wie ein Schiff, das mindestens vierzig Mann unterbringen kann.“
Ailish fiel bei dieser Beschreibung sofort der Name Loch Ness bzw. das Seeungeheuer Nessi aus Schottland ein. Über dieses Wesen gab es in ihrer Welt ja auch viele Geschichten. Aber sollte sie das jetzt wirklich noch überraschen? Wenn sie in diese Welt gekommen war, warum dann nicht auch ein Seeungeheuer? Oder eben andersherum, warum konnte das Seeungeheuer nicht auch einfach in ihre Welt gekommen sein? Nachdem sie sich bei dem Kapitän eines Segelschiffs durch ein Schreiben von Seamus ausgewiesen hatten, rief dieser seine Mannschaft zusammen und ehe Ailish sich versah, befand sie sich auf einem schaukelnden Schiff. Dieses verfügte über einen riesigen Mast und ein riesiges Segel, sowie als Gegenstück im Wasser über einen tief gehenden Kiel, eine Kielflosse und mehrere Seitenschwerter, wie ihr der Kapitän mit vor Stolz geschwellter Brust erzählt hatte, kurz nachdem sie an Bord gegangen waren. Als es Abend wurde und die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand, hielt Ailish es in ihrer kleinen Kabine, die man ihr zugewiesen hatte, einfach nicht mehr aus. Sie kam sich wie eine Sardine in einer Dose vor. Dem Himmel sei Dank wurde sie nicht Seekrank, auch wenn der Gedanke an das bevorstehende Abendbrot sie nicht gerade in Jubel ausbrechen ließ. Sie wusste gar nicht mehr, wann sie das letzte Mal etwas richtig Warmes gegessen hatte. Doch sie hatte einen riesen Sack voll Zwieback gesehen, als das Schiff beladen wurde. Der Gedanke an kleine weiße Maden, die sich in dem Zwieback befanden, ließ sie nicht mehr los. Da würde sie lieber warten, bis sie ihr Ziel erreicht hatten, ehe sie wieder etwas aß. Als Ailish sich wieder auf den Weg in ihre Unterkunft machen wollte, ließ eine fremde Stimme sie erschrocken herum fahren.
„Na nu, was macht denn eine so schöne junge Frau alleine hier an Deck? Euer Magenknurren konnte ich schon vom anderen Ende des Schiffes vernehmen. Wollt ihr euch denn nicht zum Kapitän begeben und euer Abendessen einnehmen?“ Ailish konnte im Dunkeln nur die große Gestalt eines Mannes erkennen und straffte automatisch ihre Schultern. Erst als der Fremde die Schatten verließ und sich neben sie an die Reling stellte, konnte sie ihn durch das Mondlicht etwas besser erkennen. Ein kantiges Gesicht mit einem Drei-Tage-Bart schaute sie neugierig an. Die langen blonden Haare wurden durch eine silberne Spange im Nacken zusammen gehalten. Obwohl er einen gewissen Abstand zu ihr einhielt, überkam sie ein ungutes Gefühl beim Anblick dieses Mannes. Ailish hatte schon immer auf ihr Bauchgefühl gehört und das sagte ihr, dass mit diesem Fremden etwas nicht stimmte. Eine dunkle, gewalttätige Aura schien ihn zu umgehen, trotz seiner gewählten Aussprache. Bevor sie ihm jedoch auf seine Frage antworten konnte, fing das Schiff an zu schaukeln und die heftige Bewegung ließ sie gegen ihn fallen. Nachdem die Bewegung des Schiffes wieder ein normales Maß an schwankenden Bewegungen angenommen hatte, riss Ailish ihren Arm von dem Fremden los und gab vor, ihr Oberteil zu glätten, so, als wäre es ihr peinlich gewesen, dass sie gegen ihn gefallen war. Hoffentlich hatte er den furchtsamen Schauer nicht bemerkt, den sie bei seiner Berührung verspürt hatte, dachte Ailish im Stillen.
„Vielen Dank und ja, sie hatten Recht, ich sollte mich zum Abendessen begeben.“ Die kleine Freude, dass sie sich so langsam an die Sprachweise hier gewöhnt hatte, unterdrückte sie jedoch schnell wieder, denn der Besitzer der Hand, die sich plötzlich besitzergreifend auf ihre Schulter gelegt hatte, schaute den Fremden mit einem tödlichen Blick an. Das Erschreckendste an der Sache war jedoch, dass Ailish genau wusste, wem die Hand gehörte, ohne sich auch nur umdrehen zu müssen.
„Devin, ich wusste gar nicht, dass du auf diesem Schiff arbeitest. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ Liamh`s Stimme klang so hart und kalt, wie Ailish sie noch nie zuvor erlebt hatte.
Der Fremde schaute jedoch mit einem gewinnenden Grinsen erst ihn und dann Ailish an und antwortete:
„Nun, du weißt ja, dass mann nur von Luft nicht leben kann. Möchtest du mich denn deiner reizenden Begleitung nicht vorstellen?“
„Deidrè,
Weitere Kostenlose Bücher