Tochter der Hoffnung (German Edition)
sie nicht halluzinierte. Vorsichtig und langsam hob sie eine Hand an den Kopf des Tieres und streichelte das weiche Fell. Das Kamel schnaubte zufrieden und ließ sich vor Ailish auf den Boden nieder, dabei bemerkte sie jedoch das Zittern der Beine. Ohne nachzudenken bat Ailish den Wind, aus dem Sand eine Schüssel zu formen, ein paar tropfen Wasser und die Hitze der Sonne ließen den Sand zu einem festen Gefäß werden.
Dann tauchte Ailish das Stofftuch wieder in das Loch und ließ den letzten Rest des Wassers in die Schüssel laufen. Mit einem Lächeln hielt sie dann die volle Schüssel dem Kamel entgegen und sah zu, wie es gierig trank. Das Lächeln tat weh, denn ihre Lippen waren durch die Hitze aufgesprungen und bluteten ein wenig, doch der Anblick des schmatzenden Tieres war es wert. Nachdem die Schüssel geleert war, setzte sie sich mit dem Rücken an einen Baumstamm auf den Boden und schloss erschöpft die Augen. Sie hatte im Moment keine Kraft mehr, noch ein Loch auszuheben, weder mit ihren bloßen Händen noch mit Magie. Vielleicht sollte sie etwas schlafen, dann würden ihre Kräfte bestimmt wieder zurückkehren. Kurz darauf war Ailish eingeschlafen und träumte von einem Dorf, dessen Häuser von gierigen Flammen zerstört wurden. Frauen, Männer und Kinder rannten schreiend und weinend vor Männern auf Pferden davon, die alles töteten, was ihnen in die Quere kam. Sie stand mitten auf einem Dorfplatz und keiner schien sie in der Panik zu bemerkten. Ailish sah, wie nicht weit von ihr entfernt ein Mädchen mit einem kleinen Stofftier im Arm und mit vor Angst geweiteten Augen vor einem Mann in einer schwarzen Kutte zurückwich. Der Mann hielt ein blutüberströmtes Schwert in der Hand und lief langsam auf das Kind zu. Ailish schrie panisch auf und überlegte fieberhaft, was sie tun konnte. Sie wusste instinktiv, dass der Traum real war, wie eine Vision, von der ihre Großmutter sooft erzählt hatte. Um sie herum versank die Welt weiter in Gewalt und Blut. Die kalte Wut, die sich in Ailish`s Bauch ausbreitete, war ihr so fremd und doch in diesem Moment auch willkommen. Das kleine Mädchen stand mittlerweile mit dem Rücken an einer Hauswand und unter der Kapuze des Mannes konnte sie ein sadistisches Grinsen erkennen. Ohne einen Laut von sich zu geben liefen dem Mädchen die Tränen die Wange hinunter und ihr Blick hatte einen leeren und trostlosen Ausdruck angenommen. Ailish, die bemerkte, wie ihr Körper sichtbar wurde, konnte den verkohlten Boden unter ihren Füßen spüren und die Erschütterung der Erde, die vor Wut über die verlorenen Leben grollte. Alles lebte, alles hatte eine Seele, das bemerkte Ailish in diesem Moment zum ersten Mal richtig bewusst. Sie wünschte sich Liamh herbei, damit er sie mit seiner Stärke unterstützen konnte, doch sie wusste, dass sie es auch allein schaffen musste. Doch wie? Was konnte sie tun? Als eine fremde Stimme in ihrem Kopf ertönte, zuckte Ailish erschrocken zusammen.
Hab Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten. Du kannst alles erreichen, was du möchtest. Nutze die Elemente.
Dann hatte Ailish keine Zeit mehr, sich großartig Gedanken zu machen. Der Mann stand nun vor dem Mädchen und holte mit seinem Schwert zu einem tödlichen schlag aus.
„Möge der Wind sich durch mich leiten lassen, die Erde schützende Mauern errichten und der Himmel sein kostbares Gut uns schicken. Das Licht möge mich leiten, auf das kein Blut die Erde mehr entweiht.“
Die laut ausgesprochenen Worte reimten sich zwar nicht sonderlich, doch sie lenkten den Mann in seiner todbringenden Bewegung solange ab, dass Ailish mit einer Handbewegung kräftige Windböen in seine Richtung schleudern konnte, um ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen. Eine weitere Handbewegung ließ ihn in hohem Bogen mit dem Rücken gegen eine Hauswand weit weg von dem Mädchen krachen. Dass er dort bewusstlos liegen blieb, bemerkte Ailish schon gar nicht mehr. Schon stürzten mehrere Männer mit einem markerschütternden Gebrüll auf sie zu. Die Dorfbewohner würden später erzählen, dass eine wunderschöne junge Frau mit wehenden Haaren und anmutigen Bewegungen mit Hilfe der Naturgewalten die feindlichen Männer in die Flucht schlug. An vielen Stellen erhob sich die Erde und bildete schützende Wände zwischen den Dorfbewohnern und den Männern in den schwarzen Kutten.
Die Schergen stießen Frustrierte Schreie aus und doch wurden sie bei allen Angriffen durch die Erdwände, die plötzlich aus dem Boden
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