Tochter der Insel - Historischer Roman
ihnen. Der Wind frischte auf und große Wolken trieben über den sternenbedeckten Himmel. Lea schlang das Tuch enger um sich.
»Wir hätten im Haus bleiben sollen. Es ist zu kalt«, sagte Immo.
»Es ist herrlich!«
»Wollen wir ein Stück am Wasser entlanggehen?«
Sie griff nach seiner Hand.
»Das Meer ist noch nie so schön gewesen.«
»Das kommt, weil wir es gemeinsam betrachten.«
»Ach Immo! Ich bin so glücklich!«
Wie war es nur möglich, dass ihr das Glück in der Morgensonne unwirklicher schien als unter dem samtenen Schwarz der Nacht!
Immo nahm sie in die Arme und strich ihr über das glänzende Haar. »Lea, ich möchte niemals wieder von dir getrennt sein.«
»Deshalb wirst du mich ja auch bald nach Italien begleiten«, neckte sie ihn.
Die nächsten Wochen würden sie dafür nutzen, Leas Großvater zu besuchen. Er würde sie dann wiederum nach Wangerooge zurückbegleiten, um bei der Hochzeit dabei zu sein. Und nicht nur er! Bell und Nikolas würden auch kommen. Lea konnte es kaum erwarten, ihnen Immo vorzustellen.
Sie entfernten sich wieder vom Wasser und blieben auf einer Düne stehen. Im Mondlicht erschien jede Erhebung so deutlich wie unter der Sonne. Endlos weit dehnte sich der Strand. Silbrig und weiß schimmerte der Sand und sanft rollten die Wellen heran.
Lea hob den Kopf. Sie versuchte die Sterne zu zählen, doch es gelang ihr nicht. Wie kleine Perlen, aufgereiht an einem Netz aus Tausenden von Fäden, die den Himmel umspannten, schienen sie. Winzig kleine Lichtpunkte, die aufflammten, flackerten und erloschen. Das alles in einem gleichmäßigen Takt, einem Reigen, so alt wie die Welt selbst. Es war so ergreifend, in das gewebte Sternennetz zu schauen, dass Lea Tränen in die Augen stiegen. Sie blinzelte sie fort und griff nach Immos Hand. Er drückte sie sanft. Auch seine Augen hingen an dem glänzenden Lichtermeer.
Lea fühlte sich wie eine Feder, die auf dem leichtesten Windhauch schweben konnte. Die lange Reise, die hinter ihr lag, war vergessen, ihre Suche endlich zu Ende. Sie war zu Hause.
Schlusswort
Dieser Roman ist meiner Fantasie entsprungen. Er lehnt sich zwar an wahre Ereignisse und Lebensgeschichten an, ist aber ein ganz eigenständiges Werk.
Dank
Mein Dank gilt Hans-Hermann Briese, der mich indirekt an seiner Reise zum mittleren Westen Amerikas teilhaben ließ. Seinen Eindrücken, die er in einer Mischung aus Reisebericht und Lyrik zusammengetragen hat, entstammt auch das nachfolgende Gedicht, das mich inspiriert hat:
Gateway West
Das Tor zum Westen
Draufgänger Pioniere
Ausgestoßene Einwanderer
Gesetzlose Gottesfürchtige
Freibeuter Biedermänner
Desperados Ehrsame
Scharlatane Rechtschaffene
Kerle wie John Wayne
aus Iowa zeigen euch
wo’s langgeht
weichen muss
wer nicht gelernt hat
zu besitzen
Mein weiterer Dank gilt Alfons und Elfriede Goldenstein, die mir von ihren Reisen nach Golden, Illinois, erzählt haben. Alfons Goldensteins Vater, Heinz Goldenstein, schrieb das Buch »Der Müller Gerd Ebens zwischen Ostfriesland und Illinois«. Ein Müllerroman, angelehnt an Toni Goldenstein, der 1886 nach Amerika auswanderte und als Verwalter der heute noch bestehenden Windmühle der Familie Henry Reemts Emminga in Golden arbeitete. Das Buch hat mir die Windmüllerei nahegebracht. Elfriede Goldenstein war mir eine große Hilfe, indem sie handverfasstes Material entziffert und aufgearbeitet hat. Zum Gedenken an den Vorfahren von Alfons Goldenstein habe ich den jungen Müllerburschen in meinem Roman Toni genannt.
In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die Begebenheit mit dem eingefrorenen Mississippidampfer und dem Versteck in einem stillgelegten Kessel nicht meiner Fantasie entsprungen ist, sondern sich im Winter 1849/1850 in ähnlicher Form tatsächlich zugetragen hat. Betroffen waren Hinrich Flessner und Hinrich Franzen, der Schwager des späteren Mühlenbauers Hinrich (Henry) Reemts Emminga. Alle drei stammten aus Holtrop bei Aurich.
Inspiration
Auswandern – das Wort hat eine Saite in mir berührt, meine Fantasie beflügelt. In mir wuchs der Wunsch, Menschen auf ihrem Weg in eine neue Heimat zu begleiten, all das Schöne, aber auch die Mühen und Enttäuschungen mitzuerleben.
Im 19. Jahrhundert wanderten in bis dato nicht gekanntem Ausmaß Menschen nach Nordamerika aus. Die Überquerung des Atlantiks war nicht nur teuer, sondern auch ein gefährliches Wagnis, das meist nur diejenigen auf sich nahmen, denen keine andere Wahl blieb.
Die Neue
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