Tochter der Nacht
erwiderte Monostatos und lachte leise.
»Als Vorgeschmack auf diesen Tag gebt Eurem künftigen Gemahl den ersten Kuß, Pamina.«
Mit ein paar raschen Schritten war er bei ihr. Pamina preßte sich gegen die Wand und streckte in stummer Abwehr die Hände aus. Lachend umfaßte Monostatos sie mit seiner Lin-ken und zog Pamina grob an sich. Mit der Rechten drückte er ihren Kopf hoch und preßte seine glühenden Lippen auf ihren Mund. Voller Abscheu wandte Pamina heftig den Kopf zur Seite. Sein Atem war nicht unangenehm – aber trotzdem.
»Wie könnt Ihr es wagen? Schlange… Halbling!«
Das Blut wich aus seinem Gesicht. Monostatos warf den Kopf zurück und sagte sehr leise und ruhig – und sein Ton versetzte Pamina in größeren Schrecken als die gewalttätige Berührung: »Eines Tages werdet Ihr diese Worte bereuen, Pamina.« Monostatos drehte sich um und verließ mit großen Schritten das Gemach.
∗ ∗ ∗
Allein gelassen sank Pamina verängstigt in einen Sessel, bedeckte das Gesicht mit den Händen und schluchzte. Wäre sie doch im sicheren Palast ihrer Mutter! Dort hätte so etwas nie geschehen können! Dort kannte jemand wie Monostatos seinen Platz, und die Halblinge waren nicht so anmaßend!
Ihre Mutter, weise und allmächtig, konnte sich nach Belieben Männer zu ihrem Vergnügen suchen. Sie handelte immer richtig. Pamina wußte, daß zumindest Disa, vermutlich aber auch ihre anderen Schwestern, Halblinge als Liebhaber hatten. Die Sternenkönigin billigte das nicht unbedingt, erhob aber auch keinen Einspruch, doch hatte sie Pamina unmiß-
verständlich gewarnt, es ihren Schwestern gleichzutun und ihr versprochen, wenn die Zeit gekommen sei, werde sie einen ebenbürtigen Gemahl bekommen.
Ihre Mutter würde sie nie mit Monostatos vermählen. Aber hier, in Sarastros Reich, wo sie nichts und niemandem trauen konnte, wäre eine solche Ehe genau das, was Sarastros verderbte Priesterschaft für wünschenswert halten könnte.
Aber Sarastro war ihr Vater… zumindest hatte Monostatos es behauptet. Würde er wagen, ihr eine Lüge aufzutischen, die sie durch eine einzige Frage aufdecken konnte?
Pamina wußte kaum etwas über dieses Reich, doch sie hatte gehört, daß bei den Priesterkönigen von Atlas-Alamesios Frauen ihre Gefährten nicht wählen konnten. Und den Ehe-männern war alle Macht gegeben. Vermutlich lag darin einer der Gründe für die Feindschaft zwischen der Sternenkönigin und Sarastro: Er leugnete die alte Wahrheit, daß die Königin der Nacht Herrscherin und Herrin des Landes war. Und ihre Tochter befand sich jetzt in der Macht dieses schlechten, bösen Mannes, der es wagte, die Macht der Sternenkönigin abzustreiten. Er hatte ihre Tochter in seine Gewalt gebracht.
Ja, Pamina traute Sarastro durchaus zu, daß er versuchen würde, sie mit dem Sohn der Schlange zu vermählen!
Diesmal hatte Monostatos es bei einem Kuß bewenden lassen. So unerfahren Pamina auch war, so wußte sie doch, er hatte sie nicht aus Leidenschaft geküßt. Monostatos wollte sie erobern… entehren. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, sie zu besitzen… Pamina lief ein Schauer über den Rücken: Wenn der Schlangen-Mann sie noch einmal berührte, würde sie vor Scham in den Boden versinken. Pamina wußte nicht, woher dieser Abscheu kam. Er war eine schlichte Tatsache, ein Gefühl, das sich ihrer Kontrolle entzog.
Pamina hatte manche Unterhaltungen ihrer Schwestern mit angehört, in denen sie die Kraft eines Stier-Halblings mit der gewöhnlicher Männer verglichen, und gesehen, wie Halblinge bestraft wurden, die sich zuviel herausgenommen hatten.
Selbst in ihren kühnsten Träumen wäre ihr nie in den Sinn gekommen, daß jemand – Mensch oder Halbling – die Tochter der Sternenkönigin gegen ihren Willen berühren könne.
Pamina dachte wieder an den alten Streit zwischen ihrer Mutter und dem Priesterkönig von Atlas-Alamesios und überlegte, ob Sarastro sie hierher gebracht hatte, um die Sternenkönigin zu demütigen. Pamina nahm sich vor, lieber zu sterben.
Sie warf einen Blick auf den Eßtisch und sagte kurz entschlossen zu ihrer Zofe: »Ich möchte… ich möchte noch einen Becher Wein und etwas Kuchen.«
Die Halbling-Frau freute sich offensichtlich darüber, ihr eine Bitte erfüllen zu können und eilte davon. Pamina lief zum Kleiderschrank in einer Ecke des Gemachs, nahm ihren Mantel heraus und zog ihn sich über. Sarastros Diener hatten den Schrank mit vielen kostbaren Gewändern gefüllt, aber Pamina
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