Tochter der Nacht
einen Gemahl für seine Tochter wählt… er hat keinen Sohn, und die Krone von Atlas-Alamesios und alle Macht wird auf den Gemahl seiner Tochter übergehen.«
»Wenn Sarastro eine Tochter hat«, sagte Pamina, »dann sollte er mehr Mitgefühl für meine Mutter empfinden. Wenn er das nicht tut, ist er kein Mensch, sondern ein Ungeheuer. Kennt Ihr seine Tochter?«
»Sehr gut«, antwortete Monostatos.
»Ich würde sie gerne einmal sehen«, sagte Pamina.
»Nichts ist leichter als das.« Monostatos ging zum Frisier-tisch. Pamina beobachtete ihn ungehalten. Wie konnte er es wagen, sich an ihren Dingen zu vergreifen? Monostatos kam mit dem silbernen Spiegel zurück und überreichte ihn Pamina mit einer tiefen Verbeugung.
Sie errötete zornig und schlug ihm den Spiegel aus der Hand. »Wollt Ihr mich verspotten?«
»Keineswegs«, erwiderte Monostatos. »Hat die Sternenkönigin es Euch nicht gesagt, Tochter des Sarastro?«
»Ihr müßt verrückt sein«, erwiderte Pamina.
»Oh, nein.« Das glatte, fahle Gesicht spannte sich, als unterdrückte Monostatos heftige Gefühle… Zorn, Hohn? »Ich bin sicher, Eure Mutter hätte Euch eines Tages gesagt, wer Euer Vater ist, Tochter des Sarastro. Vielleicht hielt sie Euch noch für zu jung, um zu verstehen, daß es zwischen einem Mann und einer Frau, die sich einmal liebten, aus vielen Gründen zu Unstimmigkeiten kommen kann.«
»Wie habt Ihr das herausgefunden? Ich kann nicht glauben, daß meine Mutter sich ausgerechnet Euch anvertraut haben sollte«, sagte Pamina und verzog dabei verächtlich den Mund.
»Hütet Euch, Pamina«, sagte Monostatos, und sein Gesicht wurde noch starrer, »ich möchte Euer Freund sein. Vielleicht bin ich hier Euer einziger Freund. Ich werde Euer Geliebter, Euer Gemahl sein. Doch ich lasse mich nicht verspotten. Die Macht liegt hier in Sarastros Händen. Wenn ich mich den Prüfungen unterzogen habe, und alle Macht der Alten Schlangen-Könige auf mich übergegangen ist, werde ich hoch in seiner Gunst stehen. Es wäre klug von Euch, Ihr würdet Euch meine Freundschaft nicht verscherzen.«
»Wenn mir keine andere Wahl bleibt«, erwiderte Pamina mit Verachtung in der Stimme, »bin ich entschlossen, hier ohne Freunde zu sein. Ehe ich Euch als Geliebten oder gar als Gemahl nehme, werde ich das Keuschheitsgelübde ablegen und bis ans Ende meiner Tage mit den Mondjungfrauen die Heilige Antilope jagen.«
Monostatos lachte, und es klang merkwürdig freudlos. »Ihr seid wirklich noch ein Kind, Pamina«, sagte er, »Ihr seid die Thronerbin der Sternenkönigin. Glaubt Ihr wirklich, sie wür-de zulassen, daß Ihr Euch auf diese Weise Euren Pflichten entzieht? Die Göttliche Polarität muß sich auch in ihrer Tochter offenbaren, ehe Ihr Euer Erbe antreten könnt. Ich habe die Absicht, daß Ihr mir die Hand reicht, wenn man Euch vermählt.«
»Vermählt mit dem Sohn der Schlange?« rief Pamina, »niemals! Ich kann nicht glauben, daß meine Mutter mich Euch zur Frau geben würde…«
»Das wagt Ihr zu sagen, obwohl Eure Schwestern, die Kinder Eurer Mutter, von der Großen Schlange, meinem Vater, gezeugt wurden? Kann die Tochter den Sohn zurückweisen, wenn die Mutter den Vater wählte?« Monostatos’ fahle Haut wirkte jetzt fast rot vor Zorn.
»Doch als es um die Erbin ihres Thrones ging«, rief Pamina wütend, »… vergeßt das nicht, Monostatos, nahm sie sich nicht die Große Schlange, euren Vater, sondern einen Priesterkönig von Atlas-Alamesios zum Gemahl… wenn es wahr ist, was Ihr behauptet, und ich Sarastros Tochter bin!
Warum entschied sich meine Mutter nicht für Euren Vater, wenn sie ihn für den richtigen Gemahl von so hoher Abkunft hielt, um die Thronfolge der Sternenkönigin zu sichern?«
∗ ∗ ∗
»Hütet Euch, Pamina! Ich sage es noch einmal, hütet Euch!«
Jetzt fürchtete sie sich wirklich vor ihm. Monostatos näherte sich ihr mit geballten Fäusten und glitzernden Augen. In seinen schnellen Bewegungen lag etwas, das ihr plötzlich Angst einjagte. Pamina wich an die Wand zurück und bedeckte den Mund’mit den Händen.
Doch schon löste sich seine Spannung, und Monostatos lä-
chelte, ließ die Fäuste sinken und sagte freundlich: »Ihr seid wirklich noch zu jung, Pamina. Wenn der Tag kommt, an dem ich die Prüfungen bestanden und mein Erbe angetreten habe, dann, so wage ich zu behaupten, werdet Ihr bereit sein, in mir Euren wahren Gefährten zu sehen, und wenn Sarastro uns vermählt…«
»Niemals!«
»Wir werden sehen«,
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