Tochter der Nacht
seine Obhut gestellt, und er mußte Papageno mit gutem Beispiel vorangehen.
Tamino versuchte, zuversichtlicher zu wirken, als er war, und pfiff leise vor sich hin. Nebeneinander folgten sie den leuchtenden Gestalten der Boten auf dem dunklen Pfad zwischen den Bäumen.
Sechstes Kapitel
Er war da und beobachtete sie wieder.
Beunruhigt zog Pamina das Laken um sich. Sie hatte Monostatos nie richtig gemocht, selbst da nicht, als er noch ein treuer Diener ihrer Mutter war und sie ihn nur flüchtig kannte. Er flößte ihr Angst ein, und das lag nicht nur an seinem eigenartigen Aussehen – Monostatos glich den Schlangen-Menschen. Jedesmal, wenn er ihr begegnete, schienen seine farblosen Augen an ihr zu kleben, und Pamina fragte sich immer wieder, wodurch sie ihn ermutigte, sie so anzustarren.
Und hier, in diesem fremden Haus, unter Fremden und fern der vertrauten Umgebung, dem vertrauten Leben – selbst die Halblinge benahmen sich hier anmaßend, redeten, ohne an-gesprochen zu sein, und erlaubten sich Freiheiten, als hätten sie keine Prügel zu befürchten –, schien Monostatos zu erwarten, daß sie sich ihm wie einem alten Freund zuwandte.
Doch er schien eine merkwürdige Art Freundschaft zu empfinden, die sie beunruhigte und ihr allzu vertraulich vorkam.
Monostatos tauchte viel zu oft in den Gemächern auf, die Sarastro ihr zur Verfügung gestellt hatte. Dann versuchte er den Anschein zu erwecken, er stehe mit der Dienerschaft auf gutem Fuß, und mehr als einmal spürte sie wie jetzt, daß er sie heimlich beobachtete, wenn sie ein Bad nahm oder ange-kleidet wurde. Im Haus ihrer Mutter hätte er nie gewagt, sich ihr so aufzudrängen, und die Diener ihrer Mutter hätten ihm beim ersten Versuch sofort die Tür gewiesen. Doch wie sollte sie hier, an Sarastros Hof, wissen, ob diese Zudringlichkeit nicht in seinem Sinne war?
Pamina zog das Tuch enger um sich und befahl der Halbling-Dienerin, ihre Gewänder zu bringen. »Und zieh die Vorhänge zu«, rief sie, »ich fühle mich beobachtet.«
Aber würde man ihr gehorchen, wenn Monostatos die Privilegien genoß, die er so selbstverständlich in Anspruch nahm, als sei er tatsächlich so eng verbündet mit dem unbekannten und furchteinflößenden Sarastro, der sie hatte gefangennehmen und hierherbringen lassen?
Die Vorhänge wurden widerspruchslos zugezogen, und Pamina ließ sich ankleiden. Sollte Monostatos sich über ihre Befehle hinwegsetzen, wollte sie ihm lieber angezogen gegen-
übertreten. Er schien seine Augen nicht von ihr wenden zu können, und wenn er sie schon anstarren mußte, war es ihr lieber, sein Blick fiel nur auf ihre Kleidung.
Immerhin mußte er nun auf die übliche Weise um Einlaß bitten, wenn er sie sehen wollte, und Pamina tröstete sich mit diesem Gedanken, so gut sie konnte.
»Wünscht meine Herrin hier zu speisen?« fragte die Halbling-Zofe, eine Frau, die Pamina schmerzlich an Rawa erinnerte. Seit Jahren hatte sie nicht mehr an Rawa gedacht, und es beunruhigte Pamina, daß sie sich so wohl und sicher bei dieser Frau fühlte, die schließlich eine böse und verblendete Sklavin Sarastros war.
»Ja, ich glaube schon.« Es gab wenig, mit dem Pamina sich hier sonst beschäftigen konnte, wenn sie nicht in den Schrift-rollen lesen wollte, die Sarastro hatte bringen lassen, und die wahrscheinlich seine verhaßte Lehre enthielten. Sarastro hatte sie gebeten, die Schriften zu studieren, und das genüg-te, um Pamina gegen jede einleuchtende oder angebliche Weisheit einzunehmen, die darin vielleicht dargelegt wurde.
Sarastro war nicht grausam oder unmenschlich gewesen. Bei ihrer einzigen kurzen Begegnung hatte er sie freundlich behandelt; er wirkte liebenswürdig, wenn auch etwas unnahbar. Pamina dachte wieder an die Schrecken jenes Tages – wie lange war das her? Sie wußte es nicht mehr; mindestens eine Woche. Sie hatte an ihrem Lieblingsplatz im Obstgarten ge-sessen und den Kopf gehoben, als sich die fremden Halblinge ihr unerlaubt näherten. Pamina herrschte sie aufgebracht an – wie konnten sie es wagen, die Tochter der Sternenkönigin zu belästigen? – und sah den seltsam gekleideten Priester, von dem sie inzwischen wußte, daß er zu Sarastros verderbter Priesterschaft gehörte. Damals bemerkte sie nur die merkwürdigen, fremden Symbole auf seinem Gewand und hörte, von Angst und Entsetzen gepackt, nicht, wie er beru-higend auf sie einsprach.
Prinzessin Pamina, es wird Euch nichts geschehen, doch Ihr müsst mit uns kommen.
Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher