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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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den Kopf und starrte auf die Brotkrümel und Obstschalen auf dem Tisch.
    Pamina fragte: »Und was soll mit Monostatos geschehen?«
    »Man hat ihn von den Prüfungen ausgeschlossen und ihm unter Androhung der Todesstrafe verboten, je wieder einen Fuß über die Schwelle des Palastes zu setzen«, antwortete Sarastro traurig. »Es tut mir leid um ihn. Ich habe dir schon gesagt, sein Vater war einst mein Freund, und ich habe mehr von dem jungen Mann erwartet. Es ist die erste Prüfung für einen Halbling. Ich glaube, er hat nicht aus Triebhaftigkeit versagt oder aus der Unfähigkeit innezuhalten und zu überlegen – wie es Papageno vielleicht hätte geschehen können… ich halte Monostatos für sehr intelligent. Er mag ein Halbling sein, aber er ist wissender als viele Menschen. Und dennoch hat er nicht mehr Selbstbeherrschung bewiesen als die Hunde-Halblinge, die du gesehen hast, Pamina.«
    »Ich fürchte, ich verstehe Euch nicht«, sagte Pamina, und auch Tamino sah ihn verwirrt an.
    »Beide habt ihr diese Prüfung bestanden, die Prüfung der Er-de«, sagte Sarastro feierlich, »deshalb darf ich mit euch dar-
    über sprechen, denn sie ist wichtig für eure Verbindung. Die Menschlichkeit, die ein Menschenwesen vom Tier unter-scheidet – und dies gilt für Menschen und Halblinge gleicher-maßen –, beweist sich durch die Vernunft, die den tierischen Trieb beherrscht. Pamina, für die Hunde-Halblinge war im Augenblick nichts wichtiger als der Drang, sich zu paaren.
    Man hat ihnen nie beigebracht, ihn zu zügeln, oder Zeit und Umstände zu berücksichtigen. Ich glaube nicht, daß es Monostatos an Selbstbeherrschung fehlt. Doch die Umstände waren dazu angetan, ihn in Versuchung zu führen, und er versagte. Monostatos überließ sich seinen Trieben wie die Halblinge, die er ebenso verachtet wie du…«
    »Ich verachte sie nicht«, unterbrach ihn Pamina, »sie tun mir nur leid, denn sie wissen es nicht besser. Wie kann man von ihnen etwas erwarten, was man sie nie gelehrt hat?«
    Sarastro blickte Pamina traurig an. »Das ist der Grund für meinen Streit mit deiner Mutter, Pamina. In ihrem Reich lernen die Halblinge nichts anderes. Monostatos besitzt, wie ich gesagt habe, die Intelligenz für weit mehr, doch sein Stolz machte ihn unfähig weiter zu denken, und ließ ihn niedrig werden. Stolz… er glaubte, er sei zu meinem Erben und zu deinem Gemahl bestimmt, und deshalb versagte er.« Sarastro seufzte. »Selbst Papageno, der nicht halb so intelligent ist wie Monostatos, bestand diese erste Prüfung. Ich war nicht sicher, daß er Papagena nicht anrühren würde, oder an sie glaubte, als sie so häßlich zu ihm kam und keineswegs seinen Wünschen entsprach. Doch Papageno verhielt sich vernünftig, behielt einen klaren Kopf und zeigte wenigstens in einem gewissen Maß Gehorsam. Seine Bescheidenheit half ihm, während Monostatos, der glaubte, nicht versagen zu können, sich seinem Stolz überließ.«
    »Was wird aus Monostatos werden?« fragte Pamina, »oder ist das ein Geheimnis Eurer Bruderschaft, und es ist mir nicht erlaubt, mich danach zu erkundigen, mein Vater?«
    »Ich habe keinen Einfluß mehr auf sein Schicksal. Aber ich mache mir Sorgen. Er wird in das Reich deiner Mutter zu-rückkehren. Wenn die Große Schlange stirbt, wird er vermutlich das Erbe seines Vaters antreten, und sein Reich ist nicht klein. Er hat die Prüfungen nicht bestanden, und die höheren Stufen der Weisheit bleiben ihm für immer verschlossen.
    Deshalb fürchte ich, er wird großen Schaden anrichten. Doch vielleicht hat sein Vater immer noch einen gewissen Einfluß auf ihn. Möglicherweise lernt er noch Selbstbeherrschung und Disziplin. Ich weiß nicht, was im Land der Großen Schlange vorgeht. Die Sternenkönigin hat Dunkelheit über dieses Reich gelegt, und ich kann nicht unter den Schatten sehen. Ich kann nur sagen, daß der Große Drachen einmal weise und mutig war und sich ohne Furcht in das Land der Wandlungen begeben konnte. Seit dieser Zeit habe ich ihn nur noch selten gesehen.«
    »Man sollte meinen«, sagte Pamina, »daß in einem Reich, in dem ein Halbling herrscht, dafür gesorgt wird, daß die Halblinge erzogen und gebildet werden, damit sie den Menschen in nichts nachstehen.«
    »Das dachte ich auch einmal«, erwiderte Sarastro, »ehe er unter den Einfluß deiner Mutter geriet, Pamina. Ich glaube, vielleicht war es die Absicht der Gestalter… daß die Menschheit vielfältig sein sollte. Das Vogel-Volk und das Schlangen-Volk und

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