Tochter der Nacht
es benutze, hätten sie es mir nicht gegeben…
Die Glöckchen klangen fröhlich und beschwingt. Papageno hätte am liebsten getanzt. Ein sanfter Windstoß fuhr durchs Gras. Papagenos Augen wurden einen Augenblick lang von der Sonne geblendet, und plötzlich tauchten in ihrem golde-nen Licht die drei Boten vor ihm auf.
»Du hast das Element Erde gemeistert, Bruder Halbling«, sagte einer von ihnen – oder war diese merkwürdige Stimme der Singsang von drei Stimmen? Wie üblich konnte Papageno sie nicht deutlich sehen, die Gestalten schienen sich zu verändern und zu verschwimmen. »Wir, deine Brüder vom Element der Luft, sind gekommen, um dir zu helfen, soweit es in unseren Kräften steht.«
Papageno kratzte sich am Kopf. »Was habe ich getan, was sagt ihr?« fragte er verwirrt.
»Du bist Meister über das Element Erde«, erwiderten die Boten, »und deshalb kannst du in vernünftigen Grenzen alles verlangen, was zur Erde gehört. Was möchtest du haben?«
∗ ∗ ∗
Papageno blinzelte und dachte darüber nach. Dann sagte er:
»Ich glaube, Essen ist etwas sehr Irdisches. Wie wäre es damit? Im Grunde sind mir Früchte lieber, aber wenn ich nur Dinge haben kann, die in der Erde wachsen, na ja, süße Kar-toffeln, Möhren und Erdnüsse sind genauso gut. Glaubt ihr, man könnte das auf das Element Wasser ausdehnen, meine Freunde, denn ich würde auch gerne etwas trinken? Quellen und Brunnen gehören schließlich auch zur Erde.«
Einen Augenblick lang glaubte Papageno, der Wind streiche durch die Zauberglöckchen. Dann erkannte er, daß die Boten lachten. Doch sie lachten anders als die Damen der Sternenkönigin. Sie machten sich nicht über seine Unwissenheit lustig, denn in ihrem Lachen schwang das Bewußtsein mit, daß alles auf dieser Ebene des Daseins Anlaß zu Humor und Lachen gab.
»Beginnen wir damit«, sagten die Boten, »von Essen und Trinken lebt der Körper. Und der Körper ist dem Element Erde zugeordnet, kleiner Bruder. Du hast dich als ihr Meister erwiesen, denn dein Geist weist dich als Mensch aus, als Herr über das Tier in dir. Gib dem Tier, was ihm zusteht, Papageno. Aber würdest du dein Mahl nicht lieber mit der Gefährtin teilen, die du dir gewonnen hast?«
Papageno schluckte heftig und sagte: »Ich weiß nicht, wovon ihr redet.«
»Du hast gezeigt, daß du das erste Element meisterst«, antworteten die Boten mit dieser Stimme, die wie ein Gesang klang. »Deshalb hast du dir das Recht auf ein menschliches Leben erworben. Weißt du, wer wir sind, Papageno?«
»Ihr habt mir gesagt, ihr seid Boten. Ich halte euch für Engel«, antwortete Papageno.
»Wir sind Halblinge wie du«, erwiderte einer der Boten. Und Papageno kam es vor, als sei der Sprecher ein halbwüchsiger Junge mit Federn, wie er sie selbst hatte. »Wir sind Luftgei-ster und konnten weder das Element Erde meistern, noch konnten wir fliegen, denn unsere Flügel tragen uns nicht.«
Die flimmernde goldene Gestalt drehte sich um, und Papageno sah lange, schleppende Flügel vom Rücken des Boten her-abhängen. »Von allen nutzlosen Halblingen«, sprach der Bo-te weiter, »waren wir die geringsten. Deshalb schenkte uns Sarastro mit seinen Zauberkräften die Freiheit der Luft, damit wir Botschaften überbringen und Zauberlieder singen können, denn die Luft trägt die Musik und das Verlangen.
Sag uns, kleiner Bruder, hast du nur das Verlangen nach Essen und Trinken?«
Papageno blinzelte. Vermutlich hänselten sie ihn doch nur, wie die Damen der Sternenkönigin es getan hatten. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»O doch! Aber es nützt nichts, darüber zu sprechen, denn ich weiß, ich kann es nicht bekommen. Ich habe alle Regeln übertreten, und vermutlich werde ich sie nie wieder-sehen.«
Das Lachen der Boten klang wie seine silbernen Glöckchen.
Papageno begriff, daß sie auch diesmal nicht über ihn lachten.
»Du bist ein Dummkopf, kleiner Bruder«, sagte einer der Boten, »was nützt dir dein Menschsein, wenn du nicht die menschliche Sprache benutzt, um zu erbitten, was du dir wünschst? Das Element Luft herrscht nicht nur über die Musik, sondern auch über die Sprache und den Gesang. Du hast nicht bekommen, kleiner Bruder, was du dir am sehnlichsten wünschst, weil du zu bescheiden bist, danach zu fragen.
Spiel auf deinen Zauberglöckchen, Papageno, und sieh, wer kommt und dir das Mahl bringt, zu dem nicht nur Essen und Trinken gehört, um die Fülle des Lebens zu feiern.«
Papageno griff nach dem Glockenspiel
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