Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
und begann, ein Lied zu spielen. Zuerst klang es wie der Ruf seiner Lockflöte, doch dann drang eine fröhliche Melodie durch den schönen Morgen. Ihm fiel nicht auf, daß die drei Boten verschwanden.
    ∗ ∗ ∗
    Plötzlich hörte Papageno ein lustiges Pfeifen. Papagena stand vor ihm.
    Papagena, ein junges Mädchen und ohne alle Verkleidungen! Sie trug ein einfaches grünes Gewand, und auf ihren bunten fedrigen Haaren lag ein weißer Blütenkranz.
    Zärtlich rief sie: »Papageno…«
    Endlich verstand Papageno. Er sah sie durch einen Schleier von Tränen und stammelte: »Pa… pa… pa… pagena!«
    Liebevoll lächelnd ahmte sie ihn nach: »Pa… pa… pa…
    papageno?« und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ich habe den Wein, den du nicht trinken konntest«, sagte sie weich, »und Früchte und Nüsse. Da drüben steht mein kleines Haus. Die Priesterin hat mir gesagt, daß ich dich dorthin bringen darf. Es wird unser kleines Nest sein.« Sie lächelte ihn scheu an.
    »Willst du mit mir kommen?«
    Sie mußte auf seine Antwort nicht lange warten. Papageno griff nach ihrer ausgestreckten Hand, und zusammen liefen sie fröhlich durch die Bäume…
     
    Siebzehntes Kapitel
    Pamina wurde deutlich bewußt, daß dies ihre erste Umarmung war, als sie sich an Tamino klammerte, während der tosende Wind drohte, sie beide in den Abgrund hinunterzu-schleudern, wo sie auf den Felsen zerschmettert liegenblei-ben würden. Bisher hatte sie nicht mehr gekannt als die kurze, ehrfurchtsvolle Berührung seiner Lippen auf ihrer Hand, und sie dachte angstvoll daran, daß es gut auch ihre letzte Umarmung auf dieser Welt sein konnte.
    Mein Vater hat mich davor gewarnt, daß die Prüfungen mich in den Tod führen können. Doch wenn ich sterben muß, sterbe ich wenigstens in seinen Armen. Wieviel lieber würde ich in seinen Armen leben.
    Sie klammerte sich noch fester an Tamino und preßte sich gegen die Felswand in ihrem Rücken. Als der Sturm einen Augenblick nachließ, schob Tamino sie in eine schmale Felsspalte.
    »Die Flöte«, rief sie und versuchte, ihren Kopf weit genug seinem Ohr zu nähern, um das wilde Brausen zu übertönen.
    »Die Flöte… die Zauberwaffe der Luft… spiel die Flöte, Tamino!«
    Er sah sie ungläubig an, klammerte sich aber trotzdem mit einer Hand an den Stein und versuchte mit der anderen, die Flöte aus ihrer seidenen Hülle am Gürtel zu ziehen. Im nächsten Augenblick erfaßte der Wind das Tuch und entführte es durch die Luft. Es segelte hinunter in die endlose Schlucht und flatterte wie ein Vogel zwischen den spitzen Felszacken.
    Mit äußerster Anstrengung versuchte Tamino, die Flöte an die Lippen zu setzen, denn die Böen drohten immer wieder, sie ihm zu entreißen. Er stemmte sich mit gespreizten Beinen gegen den Felsen und preßte die Schultern mit aller Macht gegen den Stein. Pamina wollte nicht in der sicheren Spalte bleiben, und ohne einen Blick in die Tiefe zu werfen, schob sie sich vor und versuchte, Tamino mit ihrem Körper Schutz zu geben. Mit einer kurzen ärgerlichen Geste bedeutete er ihr, in den spärlichen Schutz des Felsens zurückzukehren, doch Pamina achtete nicht darauf.
    »Spiele, spiele die Flöte!«
    Selbst im Windschatten ihres Körpers fiel es Tamino nicht leicht, die Flöte an die Lippen zu setzen. Pamina zitterte in der eisigen Kälte und spürte die quälende Langsamkeit jeder seiner Bewegungen. Der schneidende Wind nahm ihnen den Atem, und der erste Versuch entlockte dem Instrument nur einen kurzen dünnen Ton, den der Sturm verschluckte.
    Aber schließlich erklang eine leise, friedliche Melodie, so ruhig, daß sie nur in Fetzen im tobenden Sturm zu hören war.
    Tamino spielte weiter, während er sich mit eiserner Kraft gegen den Felsen preßte. Schließlich drangen die Töne auch an Paminas Ohr – zunächst kurz und abgerissen und dann, als der Wind sich allmählich legte, länger und länger.
    Nach einiger Zeit übertönten die Flötenklänge den Wind; der brausende Sturm wurde zu einem leichten Wind, und schließlich ließ Tamino erleichtert die Flöte sinken. Pamina holte tief Luft und sah sich um.
    Sie standen hoch oben auf einem schmalen Felsvorsprung.
    Unter ihnen fiel der nackte Felsen in unermeßliche Tiefen ab.
    Ganz unten auf dem Grund schimmerte blaß und kaum sichtbar ein Fluß. Wenige Schritte vor ihnen war der Stein geborsten, und ein paar Brocken hatten sich bereits gelöst.
    Über ihnen erhoben sich die unersteigbaren Bergspitzen. Immer noch fegten

Weitere Kostenlose Bücher