Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
bist, hältst du dich nach der Jagd von ihr fern. Meide sie. Weich ihr aus! Sieh sie nie wieder!« Er wies um sich. »Meide diese ganze Stadt!«
Deizehntes Kapitel
Das beklemmende Gefühl verfolgte Gabriella schon seit Stunden. Sie blickte immer wieder aus dem Fenster und aus der Tür des Bistros, sah jedoch nichts, was ihre Unruhe bestätigen würde. Auch der Himmel war an diesem Tag ausnahmsweise sonnig, nicht einmal ein Wölkchen war zu sehen.
Als sie am Abend das Bistro verließ, verstärkte sich ihre Unruhe, und unwillkürlich drehte sie sich um, um nach Darran Ausschau zu halten. Er war nicht da. Wahrscheinlich lag es daran – seine beruhigende, beschützende Gegenwart fehlte ihr. Einen Tag lang hatte sie das Gefühl gehabt, er wäre in der Nähe, aber nun sagte ihr ein Gefühl von Leere, dass er wirklich fort war. Sie presste die Lippen aufeinander. Sie hatte ganze Arbeit geleistet, aber anstatt jetzt froh zu sein, dass er in Sicherheit war, fühlte sie sich von ihm in Stich gelassen. Wie dumm von ihr.
Und trotzdem war immer noch die Angst um ihn da. Wenn sie zumindest von der Ferne noch einen Blick auf ihn werfen könnte. So von Zeit zu Zeit, alle paar Wochen … alle paar Tage … um sicher zu sein, dass es ihm gut ging. Was war, wenn er so wie Ritas Geliebter einfach spurlos verschwand?
Sie blieb stehen, um tief durchzuatmen. Dieser Gedanke verstärkte ihre Beklommenheit noch mehr. Hoffentlich ging es ihm gut. Hoffentlich hing dieses Gefühl nicht etwa mit ihm zusammen! Mit gesenktem Kopf trottete sie weiter. Sie dachte kurz daran, bei Rita vorbeizusehen, die diesen Abend freihatte, verwarf den Einfall jedoch im nächsten Moment. Es hatte ja doch keinen Sinn.
Fröstelnd beschleunigte sie ihre Schritte. Das unheimliche Gefühl wollte sie nicht loslassen, und als sie vermeinte, Schritte zu hören, die ihr folgten, blieb sie stehen und sah sich um. Sie war fast allein auf der Straße. Nur eine alte Frau mit ihrem Hund und ein Liebespärchen, eng umschlungen und herumalbernd, waren unterwegs.
Gabriella beschleunigte ihre Schritte und atmete erleichtert auf, als sie endlich in ihre Straße einbog. Schon lange bevor sie das Haustor erreichte, zog sie den Schlüssel aus der Manteltasche. Die letzten paar Meter rannte sie, dann hatte sie das Tor erreicht, sperrte auf, schlüpfte hastig hinein und verschloss es wieder. In Sicherheit. Aufatmend tastete sie nach dem Lichtschalter. Es blieb dunkel.
Da war es wieder, das ängstliche Gefühl. Lächerlich. Niemand konnte ohne Schlüssel das Haus betreten. Die Glühbirne war einfach kaputt. Die Straßenbeleuchtung erhellte den Gang gut genug, um zum Aufzug zu finden. Sie war nur noch zwei Schritte davon entfernt, als die Hoftür aufgestoßen wurde und eine Gestalt auf sie zustürzte.
Gabriella hob abwehrend beide Hände, aber der Angreifer hatte sie auch schon gefasst und presste seine Hand auf ihren Mund, um ihren Schrei zu ersticken. Sie trat, schlug um sich, aber der Mann – er war einen Kopf größer als sie – hatte sie auch schon herumgerissen, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand, hob sie halb hoch und trug sie zum Aufzug. Die Tür glitt vor ihnen auf. Das helle Licht blendete sie. Gabriella strampelte, schrie in seine Hand hinein, versuchte zu beißen, fluchte. Der ganze Aufzug bebte, als sie gegen die Wand trat, dann waren sie auch schon drinnen, und Gabriella wurde vor Schreck einen Moment ganz schwach, als sie im Spiegel gegenüber den Angreifer erkannte. Es war Markus.
Sie versuchte, seine Hand von ihrem Mund zu reißen. Jetzt hatte sie nicht nur schreckliche Angst, sondern war gleichzeitig auch richtig wütend. Darran hatte recht gehabt. Markus war ein fieser Kerl. Sie hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte, in ihrer Panik traute sie ihm jede Brutalität zu. Ihre verdammte Vertrauensseligkeit!
Hinter Markus drängte sich noch ein zweiter Mann in den Aufzug. Er beäugte Gabriella spöttisch. »Wo wohnt das Luder?«
Oh Gott, sie wollten zu zweit über sie herfallen!
»Vierter Stock.« Markus’ Stimme klang rau. »Sie hat den Schlüssel in der Hand.« Auf seiner Wange sah sie zu ihrer Genugtuung einen blutigen Kratzer. Da hatte sie ihn mit dem Schlüssel erwischt, ehe er sie so gepackt hatte, dass sie ihre Arme nicht mehr bewegen konnte. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Seiner ruhig, ihrer voller Panik und Hass. Was immer die mit ihr vorhatten, sie würde es ihnen nicht leicht machen.
Der Lift hielt. Der andere stieg zuerst aus, dann
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