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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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Wenn er nur ein wenig Kraft hätte, könnte er ihn töten. Und bei allen Geschöpfen dieser Welt, das wollte er. Mehr als alles andere. Er hob das Schwert an, wollte sich auf Strabo stürzen, und wusste doch, dass er nicht zwei Schritte kommen würde.
    Die Miene des Grauen Herrn war nicht zornig, sondern bedauernd. Er klang sehr ruhig, als er sagte: »Du würdest ihn töten, wenn du ihn berührtest.«
    Darran ignorierte die Nadelstiche in seinen Lungen und seinen Beinen und richtete sich auf, bis er sehr aufrecht stand. Er stützte sich leicht auf das Schwert, und seine Finger glitten wie aus alter Gewohnheit über das Wappen unterhalb des Knaufes.
    »Er lebt? So wie ich?« Seine Stimme gehorchte ihm nun schon besser. »Weshalb hast du ihn hierher gebracht? Was hat er getan? Was hat er sich zuschulden kommen lassen, dass du …«
    Strabo hob die Hand. »Er schläft. Wie du auch geschlafen hast, ehe du erwacht bist.« Er kam heran und schob den Deckel wieder über Julians Sarg. Dabei drehte er Darran den Rücken zu. Hatte er so viel Vertrauen oder hielt er ihn für so schwach? Nicht zu unrecht. Darran musste sich gegen Julians Sarg lehnen. Noch immer kochte der Hass in ihm, aber sein Körper hätte ihm nicht gehorcht. Er musste erst kräftiger werden. Und dann würde er sich auf Strabo stürzen. Jetzt würde er sich nur lächerlich machen. Und vermutlich würde ihm sogar das Schwert entgleiten. Er hatte nur eine Chance, die durfte er nicht vertun.
    »Das ist kein Schlaf.« Darran hatte Gabriella mehr als einmal dabei beobachtet hatte. Wenn Menschen schliefen, atmeten sie. Sie hatten vom Schlaf gerötete Wangen, zerstrubbelte Haare. Julian dagegen lag da wie ein Toter. Reglos, kalt, bleich.
    »Nein«, gab Strabo zu. »Er befindet sich in tiefster Bewusstlosigkeit – sein Geist wurde von seinem Körper getrennt. Wie es bei dir Fall war. Berührst du ihn aber, stirbt sein Körper, und sein Geist findet den Weg nicht mehr zurück, sondern löst sich auf.«
    Darran starrte durch das Glas.
    »Sein Körper hat so wie der deine unser Reich nie verlassen.« Er musterte Darran scharf. »Dein Erwachen wurde durch deine Gefühle ausgelöst. Heftige Gefühle, die den Körper miteinschließen.«
    Seine Liebe zu Gabriella. Seine Angst, sie zu verlieren. Zorn auf Strabo, auf die Nebelwesen.
    »Weshalb?«, fragte er heiser. Er deutete mit dem Kopf auf die Sarkophage. »Weshalb diese lebenden Toten?«
    Strabos Gesicht verschloss sich. »Nur so können sie in die Zwischenwelt gelangen, um die Flüchtenden zurückzubringen. Es wäre zu gefährlich, sie jedes Mal körperlich durch das Tor gehen zu lassen. Viele würden nicht mehr zurückkehren, sondern fliehen.« Er hatte ein Gewand in der Hand, das er auf den Sargdeckel legte. »Hier, zieh dir das über. Und dann lass uns gehen.« Er wandte sich um.
    Darran besah sich die Kleidung. Hosen, ein Hemd, ein grob gewebter Umhang. Er schlüpfte hinein und stolperte dann mehr, als er ging, Strabo hinterher. Er durfte ihn nicht aus den Augen verlieren. Er hätte ihn gerne an der Kehle gepackt, um Antworten auf alle seine Fragen aus ihm herauszuquetschen, aber vorläufig konnte er froh sein, überhaupt halbwegs aufrecht gehen zu können. Das Schwert zog er hinter sich her, es hinterließ eine lange Furche in dem Steinboden.
    Strabo stieß eine breite Flügeltür auf, und Darran trat hinter ihm hinaus ins Freie. Ein Windstoß erfasste Darran und zerrte an seinem Gewand und seinem Haar. Er hielt sich einen Zipfel des Umhangs vor das Gesicht und atmete erleichtert auf. Hier war die Luft trotz des wirbelnden Sandes besser, in der Halle roch es nach Toten.
    Sein suchender Blick fand nichts als Mauern. Darran wusste plötzlich, wo er sich befand. Er wandte sich um und ließ seinen Blick über das Gebäude hinter ihm schweifen. Dies war einstmals eine prächtige Halle gewesen, in der sich die Krieger versammelt hatten. Nun lagen einige von ihnen als lebende Tote hier begraben. Direkt gegenüber der Halle befand sich eines der Tore, durch das er mit seinen Freunden geschritten war, wenn der Herrscher zum Mahl geladen hatte. Jetzt sah man nur noch die beiden Säulen, die es damals flankiert hatten, das Tor selbst war zugemauert worden.
    Strabo war schon weitergegangen. Darran folgte ihm, ehe er um eine Ecke verschwinden konnte. »Du musst essen, damit dein Körper wieder zu Kräften kommt.«
    »Essen? Kraft? Wozu? Damit deine verfluchten Nebelwesen sich auf ein schmackhafteres Mahl freuen

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