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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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fuhr mit der Zunge darüber. Sie fühlte sich an, als hätte er tagelang nur Sand geleckt. Er nahm einen winzigen Schluck und ließ ihn lange im Mund, ehe er ihn hinunterschluckte. Es schmerzte wie geriebene Steinchen. Er nahm einen weiteren Schluck. Süß, würzig, bitter, sauer, dieses Getränk vereinte alle Eigenschaften. Die Gier war heftig, aber er beherrschte sich.
    Und dann setzte der Schmerz von Neuem ein. Noch heftiger als zuvor. Darran kauerte sich zusammen. Aber nicht der Schmerz war das Schlimme, sondern die weitere Flut an Erinnerungen.
    Er wusste nicht, wie lange er so in sich zusammengekrümmt dagelegen hatte, bis ein Schatten auf ihn fiel. Er blickte hoch und sah Strabo vor sich stehen. Zuerst wollte kein Wort über seine Lippen kommen, seine Kehle war wie zugeschnürt. Er kämpfte den Schmerz nieder, Strabo sollte ihn nicht schwach sehen. Er wusste nicht, wie er es schaffte, aber er erhob sich. Er würde Strabo nicht kniend begegnen. Nicht, wenn er es verhindern konnte.
    »Es wird dir bald besser gehen, Ramesses.«
    Ramesses. So hatte sein Name gelautet. »Darran«, entgegnete er mit rauer Stimme.
    Strabo nickte. »Der Name deines Vaters. Ein guter Name. Du trägst ihn zu Recht nach seinem Tod.«
    »Und du warst derjenige, der ihn tötete.«
    Der Graue Herr sah ihn ernst an. »Und ich hätte auch dich töten müssen, denn du hattest dich aufgelehnt. Ich hatte nur die Wahl, dich zu töten oder dich in die Höhlen zu werfen.«
    Wieder eine grausame Erinnerung, die jetzt in ihm hochstieg. In den Höhlen landeten jene, die sich gegen die Ordnung aufgelehnt hatten. Sie beherbergten Rebellen und Mörder, gefangen in einem endlosen, lichtlosen Labyrinth. Auch er war dort umhergeirrt, nachdem Strabos Männer ihn überwältigt hatten. Und dann, eines Tages hatten sie ihn geholt.
    »Es war Markus, der mich damals bat, dich aus den Höhlen zu holen«, sprach Strabo weiter, »ehe du dem Wahnsinn verfallen konntest. Da ich dich jedoch nicht freilassen konnte, musste ich dir die Erinnerung nehmen.«
    »Nicht nur meine Erinnerung! Auch meine Identität! Mein Ich!«, stieß Darran wütend hervor.
    Strabo betrachtete ihn mit einem fast traurigen Ausdruck. »Erinnerungen und Gefühle sind oftmals eines, zu eng verbunden, um getrennt zu werden.«
    »Hast du jetzt keine Angst mehr vor mir?«, fragte Darran bitter.
    Der Graue Herr lachte leise. »Jetzt? Es kostet mich im Moment nur eine Handbewegung, um dich niederzustrecken. Wenn du allerdings zu Kräften kommst, werde ich dich fürchten. Dann werde ich dir keine Gelegenheit mehr geben, auch nur in die Nähe dieses Hauses zu kommen.« Er musterte ihn nachdenklich. »Du warst einer der besten unter den Kriegern deines Vaters. Tödlich und entschlossen. Und genauso warst du auch als Jäger, zielgerichtet, durch nichts abzulenken.«
    »Du hast eine Puppe aus mir gemacht.« Darran wandte sich ab. »Sei verdammt!« Er schulterte sein Schwert und wandte sich ab. »Es gibt nur einen Grund, weshalb ich dich nicht bis zum Tod bekämpfen werde«, sagte er über die Schulter, »Gabriella.«
    »Sie werden dir auflauern und versuchen, dich zu töten«, rief Strabo ihm nach. »Dort draußen gibt es nichts, wo du dich vor ihnen verbergen kannst! Meide die Siedlungen!«
    Darran stieß einen Fluch aus, als er begriff. Ein ehemaliger Jäger war hier wohl nicht so gern gesehen. Er hatte die hasserfüllten und ängstlichen Blicke der Menschen nur allzu deutlich bemerkt, die in ihm den Mann sahen, der sie einfing und dem Tode übergab. Es machte für sie wenig Unterschied, ob er überhaupt gewusst hatte, was er tat. Ob er etwas daran hätte ändern können. Ob er nur ein Schatten gewesen war, den man von seinem Körper getrennt hatte, bis die Nebelwesen durch ihn das Opfer gefunden und in diese Welt gezerrt hatten. Sie würden sich mit Wonne auf ihn stürzen.
    Er ging weiter, versuchte, sich gerade zu halten. Das Schwert war schwer, schien ihn zu Boden zu drücken, aber der Schmerz wurde leichter, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sich bei jedem Atemzug die Welt um ihn drehte. Er überquerte den Platz, von dem sein Vater einmal erzählt hatte, er sei in alten Jahren ein blühender Park gewesen, und spürte das Prickeln von Magie, als er die ehemaligen Tore erreichte. Ein Teil davon existierte also noch, vermutlich zu Strabos Schutz. Zwei Wächter standen davor. Sie sahen ihm ernst entgegen, dann öffneten sie ein kleineres Tor, besser zu verteidigen als die glänzenden Metallflügel.

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