Tochter der Träume / Roman
mein Gesicht in seinem weichen, dichten Fell. Irgendwie gab mir der Kater allen Trost, den ich brauchte, ohne dass ich irgendetwas dafür tun musste.
»Im Tiefkühlfach ist noch ein halber Liter Karamell-Schokoladen-Kaffee-Eiscreme für dich«, sagte Lola, während ich mir die Schuhe von den Füßen kickte und mit dem schnurrenden Fudge auf dem Arm in die Küche tapste.
Zum Teufel mit der Diät, es könnte schließlich der letzte halbe Liter himmlischer Genuss sein, den ich zu mir nahm. Wenn ich den Plan vermasselte, dann riskierte ich nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch Noah würde sterben.
Ich wünschte, dass alles endlich vorbei wäre. Ich hatte es satt, ständig Angst zu haben. Und ich hatte es satt, mich ständig fragen zu müssen, ob Noah und ich noch eine Beziehung hätten, wenn alles vorüber war. Ich war schlichtweg erschöpft.
»Ich dachte, du hättest heute Nacht einen Übernachtungsgast?«, bemerkte ich, als ich mit meiner gefrorenen Leckerei zurück ins Wohnzimmer kam.
Sie schüttelte den Kopf. »Er musste zum Dienst.«
»Sehr enttäuscht scheinst du ja nicht darüber zu sein.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das kommt vor. Ich versuche, die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Ich kann es schließlich nicht ändern.«
»Sehr vernünftig.« Ich setzte mich neben sie auf das Sofa. Fudge zwängte sich zwischen uns und schnurrte und maunzte, während wir ihn streichelten und kraulten. Ich aß die gesamte Packung Eis, während wir
Vier Hochzeiten und ein Todesfall
ansahen. Es ging doch nichts über eine humorvolle britische Komödie, um die Welt wenigstens für eine kleine Weile zu vergessen. Außerdem spielte Hugh Grant mit, und den musste man einfach lieben.
Nach dem Film wusste ich, dass ich nicht mehr länger warten konnte. Lola zog sich zurück, und ich wartete noch ein bisschen, bevor ich das Portal öffnete, um ganz sicherzugehen, dass sie schlief. Nicht, dass sie an meine Tür klopfte und nur ein leeres Zimmer vorfand.
In der Traumwelt stieß ich einmal mehr auf den wabernden Nebel, der seine Arme nach mir ausstreckte, leise fauchte und zischelte. Der Nebel mochte mich nicht. Er hatte die Aufgabe, menschliche Wesen abzuwehren, damit sie nicht im Traumland umherwanderten – weder in ihrem Unterbewusstsein noch in körperlicher Gestalt, was, wie ich mich zu erinnern glaubte, vor vielen Jahren einmal geschehen war.
Ich hatte das Gefühl, dass der Nebel nicht nur auf den menschlichen Teil in mir reagierte. Er mochte mich einfach nicht – Punkt. Wenn er mich töten und ungeschoren davonkommen könnte, dann würde er es tun, da war ich mir sicher.
»Gehört nicht hierher«
, wisperte eine Stimme.
»
Hätte bei der Geburt vernichtet werden sollen.«
»Abartig.«
»Monster.«
Was ich zuletzt gehört hatte, traf mich. Und die Unverfrorenheit des Nebels, dieses wabernden, empfindungsfähigen Gespinsts, mich ein Monster zu nennen, wo er selbst eines war, machte mich richtig sauer.
»Verpiss dich«, knurrte ich und spürte im nächsten Moment, wie sich etwas in mir zu regen begann. Es fühlte sich wie glühende Kohlenstücke an, die unter dem Hauch einer abendlichen Brise wieder aufflackerten. Ich holte tief Luft und fachte die Kohlen an. Noch ein Atemzug, und sie sprühten Funken. Und noch einmal, dann begann das Feuer in mir zu lodern. Es schoss durch meine Adern und über meine Haut. Meine Augen wurden warm, und ich wusste, ohne es sehen zu können, dass sie ihre Farbe verloren hatten und schwarz umrandet waren.
»Lass mich durch.« Ich sprach die Worte. Ich erkannte zwar meine Stimme, aber nicht die Kraft darin.
Der Nebel waberte und lichtete sich ein wenig, bevor er wieder dichter wurde. Es war eine Herausforderung. Doch anstatt meinen Zorn anzustacheln, erfüllte sie mich mit einem erstaunlichen Gefühl der Genugtuung.
Ich schätze mal, ich war auf einen Kampf aus.
Ich hatte meinen Dolch dabei, der nun in meiner Hand lag. Der eingelassene Mondstein schimmerte im silbernen Nachtlicht der Traumwelt. Ich hielt den Dolch so, dass meine Hand direkt unter dem breiten Rand am oberen Ende des Griffes lag. Ich kam mir wie Norman Bates’ »Mutter« vor, als ich ihn wie einen kleinen Speer auf Augenhöhe hob. Auf diese Weise war es einfacher, die Klinge in die Nebelwand zu stoßen.
Der Nebel kreischte auf, als die Marae-Klinge ihn zerteilte. Ich hieb noch dreimal mit weiten Ausholbewegungen auf ihn ein, dann wich er langsam zurück und gab einen Pfad für mich frei. Dieser war so breit,
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