Tochter der Träume / Roman
sollte, aber neugierig war ich schon. »Und die wären?«
»Zobelbraun, gebrannte Umbra für das Deckhaar und vielleicht noch ein bisschen Tizianrot.«
Ich lächelte. »Sie sollten für L’Oréal arbeiten. Gute Nacht, Noah.«
»Nacht, Doc.« Er ergriff meine Hand und drückte sie. »Danke … für alles.«
Ich nickte und eilte hinaus. Wäre ich länger geblieben, während er über mein Haar sprach und dann so dankbar klang, würde ich noch im Bett mit ihm landen. Meinen Stolz dabei zu verlieren wäre nicht so schlimm, aber es könnte mich auch meinen Job kosten. Und noch nicht mal ein Dreier mit Jensen Ackles, Johnny Depp und Josh Hartnett wäre das wert.
Ich ging in den Beobachtungsraum, von wo aus ich Noah beim Schlafen zusehen und gleichzeitig die Daten verfolgen konnte, die auf die Kontrollbildschirme übermittelt wurden.
Ich setzte mich und trank einen Kaffee. Irgendwann kam Danny vorbei, der heute den ärztlichen Nachtdienst machte, und brachte mir den erwarteten Donut mit einem Gruß von Joe. Der Donut war selbstgebacken und in der Mikrowelle im Aufenthaltsraum erwärmt worden. Meine Diätpläne schwanden dahin. Ich verzehrte das Gebäck in Sekundenschnelle und leckte mir anschließend die Finger ab. Danny fragte nicht nach Noah, und ich sprach das Thema ebenfalls nicht an.
Der Zucker und das Koffein machten mich angenehm munter, doch eine Stunde später wurden mir die Lider schwer. Der Schlafmangel und ein niedriger Blutzuckerspiegel holten mich ein.
Noah zeigte bislang keine ungewöhnlichen Aktivitäten, und so lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und schloss die Augen – nur für ein paar Minuten selbstverständlich, schließlich arbeitete ich professionell.
Plötzlich hörte ich einen schmerzerfüllten Schrei und kam mit einem erschreckten Grunzen auf die Beine.
Doch erschreckend beschreibt nicht annähernd das, was folgen sollte. Ich blickte mich um und schüttelte fassungslos den Kopf.
»Was, zum …?« Der Beobachtungsraum war weg. Ich befand mich in einem Haus – ein Haus, das mir ebenso fremd wie seltsam vertraut war. Das Zimmer war groß und mit bunt zusammengewürfelten Möbeln ausgestattet, die zumeist bequem, aber kaum benutzt aussahen. Das Gebäude war ein einziges Feuerwerk aus Farben, mit Gewölbedecken sowie riesigen, fantastischen Malereien rings an den Wänden. Ich wusste nicht, wo ich war, aber ich fühlte mich sicher an diesem Ort. Und ich wollte ihn erkunden.
Es musste ein Traum sein, aber ich hatte mich noch nie zuvor so verloren in einem Traum gefühlt – abgesehen von dem Traum, den ich vergangene Nacht gehabt hatte. Der Ort war mir völlig unbekannt. Dabei kannte ich mich sonst
immer
in meinen Träumen aus.
Ich trat langsam einen Schritt vor und ging an einem üppig gepolsterten, weinroten Sofa vorbei. Ich war noch nicht weit gekommen, als ich ihn sah.
»Noah?«
Er saß in seiner Spiderman-Pyjamahose auf dem Boden und versuchte krampfhaft, auf die Beine zu kommen. Seine Arme zitterten vor Anstrengung, während sich die Muskeln unter der gebräunten Haut spannten. Brust und Rippen – sogar sein Rücken – waren zerschunden.
Ich kniete mich neben ihn, hielt ihn fest und half ihm auf. Seine Haut fühlte sich klamm unter meinen Händen an.
»Noah, alles in Ordnung?«
»Dawn?« Er hatte mich noch nie mit meinem Vornamen angesprochen. »Was machst du hier?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich ehrlich, wobei ich hätte wetten können, dass keiner von uns beiden wach war, zumindest nicht im konventionellen Sinne. »Leg deinen Arm um mich.«
Zum ersten Mal war ich über meine Größe froh. So konnte ich Noah mühelos aufhelfen, ohne mir selbst weh zu tun.
»Hallo, kleines Morgenlicht.«
Die Stimme kannte ich. Ein Mann trat auf mich zu. Ich sah zu, wie er näher kam, während ich meine Hände noch immer schützend um Noah hielt. Ich wusste, dass er es war, der Noah so zugerichtet hatte und ihm in seinen Träumen nachstellte.
Und dann sah ich sein Gesicht. Es war der gleiche Mistkerl, der mich vergewaltigt hatte.
»Wer bist du?«, fragte ich zornentbrannt. »Wo sind wir?«
Der Mann blickte sich um. »Wir sind an einem Ort seiner Schöpfung.« Dabei zeigte er auf Noah. »Frag ihn, wo wir sind.«
»In meinem Traum«, erwiderte Noah und sah mich stirnrunzelnd an. »Wie kommst du in meinen Traum?«
Ich überging die Frage. »Was hast du mit ihm gemacht?«
Das Traumetwas zuckte mit den Schultern. »Ich hätte ihm auch sämtliche Knochen brechen
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