Tochter der Träume / Roman
der Arbeit auf, daher gab es offenbar Wichtiges.
»Lass ihn herein.« Ich wartete ihre Reaktion gar nicht erst ab, sondern ging rasch in mein Büro und warf einen kurzen Blick in den Spiegel meiner Puderdose. Meine Wimperntusche war nicht verschmiert, mein Lipgloss noch frisch und rosa. Alles in Ordnung.
Noah kam herein und sah wieder so aus, wie ich ihn kannte, nicht wie neulich Abend in der Galerie. Die Haare leicht zerzaust und feucht, die Wangen unrasiert, die Klamotten zerknittert. Er wirkte müde. Müde und ein wenig verärgert.
»Hi, Noah.« Das klang eher gezwungen.
Seine dunklen Augen blieben kurz an mir hängen, während er an mir vorbei ins Zimmer trat. »Hey.«
Doch es sah nicht danach aus, als würde er mich in die Arme schließen und leidenschaftlich küssen wollen. Das konnte ich mir abschminken, dies war offensichtlich kein privater Besuch. Kaum hatte ich die Tür hinter ihm geschlossen, sah er mich an.
»Sagtest du nicht, dass man sich um dieses Ding kümmern würde?«
Er war tatsächlich verärgert. Über mich. Und das gefiel mir ganz und gar nicht. »Hat man mir so gesagt.«
»Von wegen.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, woraufhin es noch mehr abstand. »Es war vergangene Nacht hinter mir her.«
Sofort gab ich meine Abwehrhaltung auf. Meine Sorge um ihn war also berechtigt gewesen. »Alles in Ordnung mit dir?«
Ich wollte ihn berühren, doch er wich zurück. Autsch. »Ja. Es wollte, dass ich dir eine Botschaft überbringe.«
Oh, oh. Deshalb war er so außer sich. Das konnte ich ihm nicht verübeln. Mir würde es auch nicht behagen, als Botengängerin eines Traumdämons herhalten zu müssen.
»Was hat Karatos gesagt?« Meine Stimme zitterte ein wenig. Die Botschaft zu bekommen, war fast noch schlimmer, als der Bote zu sein.
»Dass er dir ein Geschenk schicken wird.«
Ich runzelte die Stirn. »Das ist alles?«
Es zuckte an seinem Kiefer. »Tut mir leid, aber ich habe nicht weiter nachgehakt.«
»Wie hat er dich überhaupt finden können? Hattest du nichts eingenommen, um ihn dir vom Leib zu halten?«
Seine Miene wurde trotzig und ein wenig verlegen. »Hab’s vergessen.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und biss mir auf die Unterlippe, um mir eine spitze Bemerkung zu verkneifen. Doch es half nicht viel. »Dann ist es ja wohl kaum meine Schuld, wenn du nicht auf mich gehört hast und Karatos dich finden konnte, nicht wahr?«
Seine schwarzen Augen bohrten sich in meine. Es stand so viel Enttäuschung und Wut in seinem Blick, dass ich einen Schritt zurückwich. Noah hasste es, wenn er die Kontrolle verlor, hasste es, als Marionette benutzt zu werden. Und im Augenblick war ich das Ziel seiner geballten Wut.
Er hob die Hand und deutete auf mich. »Benutzt das Ding mich, um dich zu kriegen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte ich schroff, schroffer, als ich wollte. »Keine Ahnung, was er von mir will, außer meinen Vater ärgern. Wenn jemand von uns beiden Grund hat, sich benutzt zu fühlen, dann ja wohl ich. Na ja, andererseits dienst du dem Dämon als Energiequelle.«
Er blinzelte mich an. »Wie bitte?«
Verdammter Mist. Das hätte nicht sein müssen. Ich seufzte und rieb mir den Nacken. Ich spürte, dass wahnsinnige Kopfschmerzen im Anzug waren. »Traumwesen, insbesondere Traumdämonen, ziehen ihre Kraft aus Träumenden. Luzide Träumer, wie du einer bist, sind für sie eine unerschöpfliche Energiequelle.«
»Toll, dann ziehe ich diese Dinger also an.«
»Du verfügst aber auch über die Kraft, dich zu wehren.« Weitestgehend jedenfalls, aber das erwähnte ich nicht.
Er verstummte und grübelte zweifellos darüber nach, ob er noch weiter wütend sein sollte.
»Sieh mal«, sagte ich schließlich und unterbrach die Stille. »Mir gefällt das alles ebenso wenig wie dir. Wir werden dieses Ding zur Strecke bringen, das verspreche ich.«
Er trat auf mich zu und blieb so dicht vor mir stehen, dass kaum noch Raum zum Atmen war. »Wir?«
Ich schluckte und wurde aus seiner Miene nicht schlau. Sollte ich mich bedeckt halten oder offen zu ihm sein? Ich straffte die Schultern und blickte ihm in die Augen. »Es sei denn, du willst es allein in Angriff nehmen.«
Ein Hauch von einem Lächeln umspielte seine Lippen, als er ein Papiertaschentuch aus der Schachtel auf meinem Schreibtisch zog. »Nein, nicht allein.« Dann begann er, mir mit dem Taschentuch über die Lippen zu wischen. Es blieb am Lipgloss kleben, und ich wandte den Kopf ab, um ihm auszuweichen.
»Lass das!« Ich
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