Tochter des Drachen
Jonathan ihn erneut traf. Eine flammende Pilzwolke brodelte himmelwärts, als die eingelagerten Granaten hochgingen. Und der Panzer explodierte.
Das Donnern dieser Explosion übertönte die anderen fast völlig, doch Jonathan hörte sie trotzdem, weil er genau darauf gewartet hatte - ein Schnellfeuerstakkato: Rumsrums-rumsrumsrumsrums! Nicht von hinten, wo der Heuschreck auf seinen dürren Vogelbeinen heranraste, und auch nicht von den restlichen Panzern, die schon wieder mit Höchstgeschwindigkeit zurück zu ihrem Stützpunkt jagten. Sondern von rechts, wo die Kröten ihre Arbeit beendet hatten.
Eine Stimme, m ännl ich. Nicht Kyle, sondern der Pilot des Kampftitan: »Was, zum ...?« Der Rumpf des Mechs drehte sich. Jonathan erhaschte einen gelben Lichtschein, die scharfe Silhouette des Mech-kriegers, grüne Schatten über grauer Weste und nackter Haut. »Wer ...?«
Und dann schlug die erste Druckwelle ein, als das Eis protestierte, stöhnte ... und nachgab.
Landungsschiff Stolz des Drachen, Sektor Carillan, Iwanji, Saffel
Präfektur II, Republik der Sphäre 5. September 3135
Die Meldung hing wie ein Gespenst in der Luft, so absolut schockierend, dass Tai-sho Carol Worridges Verstand für einen Moment aussetzte. Sakamoto war tot! Hätte sie es nicht mit eigenen Ohren gehört, nicht selbst die entsetzte Stimme des Piloten der Schwarzer Wind gehört, sie hätte es nicht geglaubt.
Doch sie fing sich wieder und sah sich auf der Brücke um. Eine Entscheidung. Sie warteten darauf, dass sie den Befehl übernahm. Sie musste sie in die Schlacht führen, ja - aber gegen wen?
Eine leise Stimme erklang in ihrem Geist, die sie als ihr aus der Gefangenschaft des Tyrannen befreites Gewissen erkannte: Folge deinem Herzen. Folge deiner Ehre.
Und plötzlich fiel alles an seinen Platz, und sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie drehte sich zum Kommoffizier um. »Öffnen Sie einen Kanal. Ich will zu den Truppen sprechen.«
Sektor Carillan, Iwanji, Saffel Präfektur II, Republik der Sphäre
5. September 3135
»STERLING!«, heulte Parks, und in den zwei Jahren, die sie ihn kannte, hatte sie noch nie eine solche Verzweiflung in seiner Stimme gehört wie in diesem Augenblick. »NEIN! Aus dem Weg, AUS DEM WEG!«
Aber sie konnte nicht antworten, hatte keine Zeit dazu, weil sie sich in der Luft drehte, herumwirbelte, im Sprung eine Pirouette vollführte, bis das Landungsschiff in ihrem Rücken war und die Raketen auf sie zurasten. Und dann tat sie etwas, von dem André Crawford Stein und Bein schwor, dass es funktionieren musste, zumindest in der Theorie. Sie feuerte all ihre Laser gleichzeitig auf einen Schnittpunkt ab ... und betete mit einer Inbrunst wie nie zuvor, dass ihre Mechpanzerung alles hielt, was der Hersteller versprach.
Das Laserfeuer verschmolz zu einem ionisierten
Feuerball, gerade als die Raketen eintrafen. Es gab eine gewaltige Detonation, als ein Teil der Geschosse - aber nicht alle - explodierten. Ein Orkan von Trümmern peitschte um ihren Ozelot, sie wurde von einem wabernden Ball aus Gas und Flammen verschluckt. Der Blitz war so grell, dass es dem Kanzeldach nicht gelang, sich rechtzeitig zu verdunkeln. Aber das spielte keine Rolle. Ihr Kopf flog nach hinten, der Helm knallte gegen die Liege, und sie flog schneller als ein Laserstrahl. Sie schrie ... ein langes, anhaltendes Heulen, das abrupt abbrach, als ihr Mech in den Wald stürzte und auf einer Flutwelle des Donners Bäume wie Streichhölzer knickte.
Dann musste sie das Bewusstsein verloren haben, denn als Nächstes blickte sie durch einen Schleier aus beißendem Qualm, der von verschmorten Schaltkreisen herrührte. Trotzdem war sie nicht blind. Nein, diese Gnade hatte sie nicht.
Sie sah das Landungsschiff überdeutlich weiter anfliegen.
Dovejin-Eiskappe, Saffel Präfektur II, Republik der Sphäre
5. September 3135
Jonathan stapfte an dem Kamptitan mit seinem noch immer benommenen und verwirrten Piloten vorbei. Dann verlangsamte sich die Zeit, dehnte sich, aber nicht mit dem angenehmen Effekt, den er gewohnt war, denn diesmal war Jonathan selbst das Opfer.
Er hatte den Kampftitan bereits passiert und näherte sich dem sich weitenden Riss im Eis. So glaubte er. Die enorme, nahezu völlig leere weiße Fläche des Eisfelds verschluckte sämtliche Wegmarken und ließ alles unendlich weit entfernt wirken. Das Eis bebte jetzt heftiger, bockte und hüpfte wie ein lebendiges Wesen. Aus dem Gleichgewicht geworfen, wankte der Panther, und Jonathan versuchte
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