Tochter des Glueck
Bühne korrigiert ihn nicht.
»Mein Schwiegervater hat mir beigebracht, dass Kunst den Arbeitern, Bauern und Soldaten dienen soll, doch man sieht, dass er sich eigentlich nur mit schönen Frauen beschäftigt«, schwadroniert Tao, der seine Rolle als Ankläger genießt.
Jetzt verstehe ich es: Taos Ziel ist viel mehr Z. G. als Joy. Wenn er Z. G. diskreditiert, wird er mehr als nur ein Vorbild-Bauernkünstler. Er wird Z. G.s Platz einnehmen.
»Es ist nicht zu spät für dich, um deine vielen Vergehen zu gestehen«, verkündet Tao. »Du bist ein giftiges Unkraut. Tritt vor! Zeige dein Gesicht!«
Vorne ruft jemand: »Wo ist dieser rekationäre Schurke?«
»Da ist er.« Tao deutet auf unsere Gruppe.
Dun wendet sich an mich. »Du musst die Kinder retten. Geh!«
»Was sagst du da?«, frage ich.
In dem Chaos um uns herum kommen chinesische Gesichter auf uns zu.
»Wo ist der Verräter?«, ruft eine andere Stimme.
Da schiebt mich Dun plötzlich Z. G. in die Arme.
»Geht jetzt!«, bittet uns Dun dringend. Ich blicke zu Z. G.s Gesicht hoch und sehe, wie er reagiert, als mein Mann, der hinter mir steht, ruft: »Hier bin ich. Ich habe das Bild gemalt.«
Als Z. G. mich aus dem Raum zieht, drehe ich mich um, Die Leute scharen sich um Dun und umringen ihn. Ich kann ihn unmöglich allein lassen. Mit aller Kraft kämpfe ich gegen Z. G. an, aber er schiebt mich durch die Tür und in das Foyer des Messegeländes. Joy ist schon da, hält ihr Kind an sich gedrückt, Entsetzen im Gesicht. Ta-ming steht bleich neben ihr.
»Komm schon!«, sagt Z. G.
Wieder versuche ich mich loszureißen. »Ich gehe nicht weg!«
Z. G. wirft Joy einen Blick zu. Sie nickt und nimmt mich am anderen Arm. Gemeinsam zerren sie mich durch das Foyer, zur Tür hinaus und in einen Wagen von russischem Fabrikat, der in ein Taxi umgewandelt wurde, um Ausländer zur Messe zu bringen.
»Fahr los!«, befiehlt Z. G. auf Mandarin.
Der Fahrer starrt uns im Rückspiegel an. Er scheint nicht verstanden zu haben, was Z. G. gesagt hat, und außerdem hat er drei atemlose Erwachsene, ein Baby und einen verängstigten kleinen Jungen auf dem Rücksitz.
Joy, die mit Kantonesisch aufgewachsen ist, weist ihn an: »Fahr uns zum Bahnhof.« Das Auto rollt vom Bordstein weg und reiht sich in den Fahrradverkehr ein. Joy wendet sich an mich. »Mom, wir müssen weg«, sagt sie nun auf Mandarin, damit der Fahrer sie nicht versteht. »Wenn wir jetzt nicht losfahren, kommen wir hier nie raus.«
»Was ist mit Dun?«, frage ich.
»Wir können nicht mehr zurück«, antwortet Joy. »Das weißt du. Er hat uns gerettet. Begreifst du denn nicht?«
»Sie werden ihm nichts antun«, verspricht Z. G.
»Dein Versprechen bedeutet gar nichts, wenn wir weggehen«, sage ich. »Und das weißt du!«
»Sie haben wahrscheinlich schon herausgefunden, dass er der Falsche ist«, entgegnet Z. G. »Das bedeutet, sie suchen bereits nach uns. Die Behörden wollen mich, und Tao will Samantha.«
»Tao will das Baby nicht«, sagt Joy. »Sie ist ein Mädchen. Tao mag sie nicht mal. Er nennt sie Ah Fu.«
»Er ist ihr Vater, natürlich will er sie«, antwortet Z. G.
»Nie ist etwas wertvoller als in dem Moment, in dem man es verlieren könnte«, füge ich hinzu.
Ich beuge mich vor und vergrabe das Gesicht in den Händen. Die anderen werden tun, was ich sage, daher stehe ich vor einer entsetzlichen Entscheidung. Mein Ehemann oder meine Tochter, meine Enkelin und der kleine Junge, den ich gerade adoptiert habe? Dun hat gesagt, ich muss die Kinder retten, und das tue ich. Ich drücke meine Gefühle zu einer kleinen Kugel zusammen, dann setze ich mich wieder aufrecht hin.
»Dun hat unsere Papiere«, gebe ich den anderen zu bedenken. »Wir können nicht mehr mit dem Zug fahren.«
Joy hat das in all der Aufregung offenbar vergessen, und nun wird ihr Körper ganz schlaff. »Was machen wir dann?«, fragt sie panisch.
Ich lege ihr die Hand auf den Arm, um sie zu beruhigen, während ich mit dem Fahrer rede. »Bitte bring uns ins Dorf Wah Hong.«
Er sieht mich verächtlich im Rückspiegel an: Weißt du nicht, was du willst? Ich beschreibe ihm den Weg, so gut ich ihn noch von meinem Besuch vor drei Jahren in Erinnerung habe. Der Fahrer nickt, macht eine Kehrtwendung und fährt weiter durch den Verkehr.
»Ich habe Tao erzählt, dass Wah Hong das Heimatdorf von Großvater Louie war«, sagt Joy nervös auf Mandarin. »Dort werden sie zuerst nach uns suchen.«
»Ja«, stimme ich ihr zu. »Aber sie werden eine Weile
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