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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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das Laken mit. Z. G. zieht sich die Bettdecke über, aber ich schaue bewusst nicht in seine Richtung. Ich hebe meine Sachen vom Boden auf, gehe ins Bad und ziehe mich an. Flüchtig schaue ich in den Spiegel. Meine Wangen sind noch gerötet vom mao tai und dem, was Eheleute tun, doch in meinen Augen sehe ich anders aus. Endlich habe ich Z. G. und meine Angst vor Sex überwunden. Diese beiden Kreise sind nun geschlossen. Es ist nicht klar, was das für mich – als Witwe – bedeuten wird, aber ich habe das Gefühl, mir stünden nun Möglichkeiten offen, die ich nicht mehr hatte, seit ich eine junge Frau war.
    Wehmütig winke ich Z. G. zu, sehe nach, ob niemand im Korridor ist, schleiche mich aus seinem Zimmer und in mein eigenes. Am Morgen treffen wir uns zum Frühstück wie gute Freunde, dann gehen wir auf die Messe. Wir werden nie wieder über das Geschehene sprechen, aber bevor wir Kanton verlassen, schreibe ich einen Brief an May. Ich kann nicht auslöschen, was ich mit Z. G. getan habe, doch ich kann sie beruhigen. Hongkong liegt nahe. Ich wünschte, ich könnte von dort aus nach Hause fliegen und es ihr selbst sagen. Stattdessen wird mein Brief in das nicht weit entfernte Wah Hong geschickt, in einen neuen Umschlag gesteckt und wird die übliche Reise über die Grenze und weiter in die Chinatown von Los Angeles machen.
    Es gibt etwas, das Du wissen solltest. Z. G. ist ein Hase, und Du bist ein Schaf. Z. G. liebt Dich und nur Dich.

J OY
    Zwischen dem Gelb und dem Grün
    W ie viele Fliegen habt ihr heute getötet?«, fragt Brigadeführer Lai, als er zwischen unseren beiden Zimmern hin- und hergeht. Das gehört zu seiner neu eingeführten Reinlichkeitsinspektion. Taos kleine Brüder und Schwestern zeigen ihm einen Becher, in dem sie die toten Fliegen gesammelt haben. »Gut«, lobt er sie, »aber habt ihr auch Ratten oder Mäuse getötet?« Das haben wir nicht, und das ist nicht gut. »Und Spatzen?«, fragt er.
    »Es gibt nicht mehr viele«, antwortet Taos Vater.
    »Das höre ich auch von anderen in der Kommune«, knurrt Brigadeführer Lai. »Aber warum sehe ich sie noch am Himmel fliegen? Ihr müsst euch mehr anstrengen! Was hat eure Familie unternommen, um andere Insekten auszurotten?«
    »Es ist Winter«, sagt Taos Vater. »Schau.« Er zeigt auf das Papier, das wir mit Reispaste über die Fensteröffnungen geklebt haben, um die Kälte abzuwehren. »Wir haben jetzt nicht viele Insekten.«
    »Nehmt das Papier ab«, empfiehlt der Bridageführer. »Lasst im Hauptraum eine Laterne auf dem Tisch brennen. Morgens habt ihr dann viele tote Insekten.«
    Ich würde mich ja mehr darüber aufregen, nur ist Reispapier einfach nicht dasselbe wie eine Glasscheibe, die vor Wind schützt.
    »Sollen wir alles aufheben, was wir töten, um es dir zu zeigen?«, fragt Taos Vater.
    »Auf jeden Fall. Schließlich wäre es keine Inspektion, wenn ich nicht sehen könnte, was ihr erwischt habt.«
    Als Brigadeführer Lai gegangen ist, rollen die Kinder ihre Schlafmatten auf dem Boden aus. Taos Eltern gehen ins andere Zimmer. Sie versuchen, noch ein Kind zu zeugen. Meine Schwiegermutter erinnert mich jeden Tag an die Worte des Vorsitzenden Mao: »Mit jedem Magen kommen auch zwei neue Hände.« Sobald meine Schwiegereltern fertig sind, kommen Tao und ich dran.
    Ist die Ehe so, wie ich erwartet hatte? Überhaupt nicht. Die erste Nacht? Alles andere als romantisch, und Tao war auch nicht sehr sanft. Wer er ist und wie er sich verhält, hat natürlich zum Teil damit zu tun, dass er hier aufgewachsen ist, aber mit ihm herumzuschmusen war doch etwas ganz anderes, als bis zum Ende zu gehen. Was mir jedoch zu schaffen macht, ist nicht auf Sex beschränkt. Vor dem Tag der Hochzeit war ich noch nie in Taos Haus gewesen, deshalb war mir nicht klar, wie bettelarm seine Familie ist. Ich hatte kein Ehebett wie im Hofhaus. Niemand brachte mir eine Schlafzimmereinrichtung auf dem Fahrrad, wie ich es in den Straßen von Shanghai, Kanton und Peking gesehen hatte. Im Hofhaus ohne Komfort zu leben, hatte mir gefallen, aber hier konnte ich nicht einmal allein sein, wenn ich den Abortkübel benutzen wollte, nicht mit zwölf Menschen in zwei Zimmern. Als ich mich in der Hochzeitsnacht auszog, wollte Tao, dass ich den kleinen Beutel von Tante May abnehme. Er meinte, ich sei hier sicher und bräuchte das Beutelchen nicht mehr zum Schutz. Ich gehorchte, weil er mein Mann ist. Ich redete mir ein, ich bräuchte kein Geld, keine Möbel und keinen Talisman, um zu lieben

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