Tochter des Glücks - Roman
Sie ist vor Kurzem nach China gekommen.«
»Hast du Geld mitgebracht?«, fragt der Vorsitzende. »Geld von Überseechinesen ist hier äußerst willkommen. Mit den Devisen können wir unseren sozialistischen Staat aufbauen.«
Wieder springt Z. G. für mich ein, und zum ersten Mal höre ich ihn angeben. »Sie hat etwas noch Besseres getan. Sie ist persönlich zurückgekehrt, um dem Vaterland zu helfen.«
»Aha, aber gehört sie zu denjenigen, die morgen schon wieder eine Ausreiseerlaubnis wollen?«, fragt Mao. »Um unsere gemeinsame Front unter den Überseechinesen zu stärken, mussten wir die Kontrolle über diese Genehmigungen lockern. Zu viele verhalten sich wie Vögel im Käfig und warten auf die Gelegenheit, sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Sie beschweren sich, dass ihre Reisrationen zu viel grobes Getreide enthalten. Sie behaupten, wir nähmen keine Rücksicht auf Alte, Kranke, schwangere Frauen oder neugeborene Babys. Der Westen hat sie verdorben, sodass sie die persönliche Freiheit über alles andere stellen, aber jetzt müssen sie der Partei gehorchen. Selbst ich muss der Partei gehorchen.« Er verstellt die Stimme und jammert wie ein unzufriedener Mann, der aus Übersee zurückgekehrt ist: »Mein Magen ist an Kuhmilch und Weißbrot gewöhnt. Er verträgt getrockneten Fisch und Gerste nicht.« Mao schnaubt. »Was ist das für ein Chinese? Ein Chinese ist sein Magen. Diese Überseechinesen können ihre kapitalistischen Wurzeln nicht vergessen, und sie passen sich nicht an die sozialistische Lebensweise an.«
Z. G. ignoriert das einfach. Stattdessen sagt er: »Meine Tochter hat mir auf dem Land geholfen. Wir haben das echte Leben beobachtet und daraus gelernt …«
»Freiwillig aufs Land zu gehen, war ein kluger Schritt von dir, um den Schwierigkeiten zu entgehen, Genosse Li.«
Z. G. neigt fragend den Kopf.
»Du hast deine Sache dort gut gemacht«, fährt Mao fort, »aber dann brauchte ich dich in Kanton. Wieder hast du dich gut geführt, und so habe ich dich hierhergebracht. Als du in Peking ankamst, dachte ich, du wärst nur noch fünfzig Meter davon entfernt, als Rechter zu gelten. Dann habe ich das Bild gesehen, das dein Schüler gemalt hat, Feng Tao. Es entspricht den Dingen, über die ich mir Gedanken gemacht habe, seit ich aus Moskau zurückgekehrt bin. Dort sind sie der Meinung, sie hätten schnelle Fortschritte gemacht, und das ist richtig. Sie haben den Sputnik gestartet. Jetzt sagt Genosse Chruschtschow, dass die Sowjetunion die Vereinigten Staaten wirtschaftlich in fünfzehn Jahren überholen wird. Warum können wir Großbritannien nicht im gleichen Zeitraum überholen? Bald wird der Ostwind stärker wehen als der Westwind.«
Eine junge Frau in Uniform tritt zu uns. »Die Jury ist so weit«, sagt sie.
Der Vorsitzende verschränkt die Hände und schüttelt sie mit einer entschlossenen Geste. »Wir werden unser Gespräch später fortsetzen müssen.«
Er geht davon, und ich hole tief Luft. Ich kann es gar nicht fassen, dass ich mich mit dem Vorsitzenden Mao unterhalten habe, dass ich so nahe bei ihm stand, während er sich an die Vergangenheit erinnerte und über seine neuen Ideen sprach. Ein wenig wünsche ich mir, Joe hätte das sehen können. Doch dann verschwindet Joe wieder aus meinen Gedanken, denn Mao hat seine Beratung mit den Preisrichtern beendet und ist ans Rednerpult getreten.
»Ich hatte gerade einen kleinen Streit mit den Mitgliedern der Jury.« Er umschließt das Rednerpult mit den Händen. »Sie möchten nichts sehen, was zu populär ist oder nach westlichem Einfluss riecht. Ihnen gefallen die Kalendermädchen der Vergangenheit nicht. Ich habe da eine andere Meinung. Statt hübscher Kalendermädchen können wir doch hübsche Arbeiterinnen haben – die die Ernte einbringen, die Telefonmasten hinaufklettern oder … Blumen pflücken?«
Aufgeregt packe ich Z. G. am Arm, während überraschtes Gemurmel durch die Galerie dringt.
Mao lächelt. »Genosse Li Zhi-ge, bitte, tritt vor.«
Z. G. geht nach vorne zum Rednerpult und stellt sich in gebührendem Abstand neben den Vorsitzenden Mao. Kameras blitzen auf.
»Du bist von deinem westlichen Elfenbeinturm herabgestiegen«, sagt Mao. »Gleichzeitig hast du ausländische Techniken verwendet, um China zu dienen. Du hast mir deine rote Gesinnung mit Hilfe deiner geschickten Pinselführung bewiesen. Du hast den großen Preis gewonnen.«
Weihnachten kommt und geht, ohne ein einziges Weihnachtslied, ohne Dekorationen, ohne
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