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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Wahrheit herausfand, ist sie weggelaufen und hierhergekommen, um dich zu suchen und … ich weiß nicht, was.«
    »Joy hat mich angelogen – ihren eigenen Vater?«
    Es ist befremdlich, die Fassungslosigkeit in seiner Stimme zu hören. Er kennt Joy überhaupt nicht.
    »Sam Louie, mein Mann, war ihr Vater. Er ist jetzt tot.«
    Z. G. lässt das auf sich wirken, denkt nach und sagt: »Trotzdem bin ich ihr Vater.«
    »Diese Ehre hast du vor langer Zeit vertan.« Das hört sich sarkastisch an, aber ich kann nicht an mich halten. Zu viele Jahre voller Kummer und Leid sind vergangen, als dass er noch die Vaterschaft beanspruchen könnte. Trotzdem sieht er mich verständnislos an. »Als ich in der Nacht damals zu dir kam, um dir zu sagen, dass May und ich arrangierte Ehen eingehen müssten, mit Männern, die wir nicht kannten, hast du nicht versucht, mich, uns aufzuhalten. Warum hast du nichts unternommen? Warum hast du überhaupt nichts gesagt?«
    Zwanzig Jahre des Zorns und der Enttäuschung kommen in mir hoch, aber er scheint immer noch nichts zu begreifen. Das Schlimmste ist, dass ich nicht aufhören kann, ihn anzustarren. Meine alten Leidenschaften – trotz allem, was ich jetzt über ihn und meine Schwester weiß – lassen mich flach und schnell atmen. Mein Herz klopft so sehr, dass es mir gleich durch die Brust zu springen droht. Und obwohl ich Witwe bin, obwohl ich Sam geliebt habe, spüre ich weiter unten eine Wärme, die ich für meinen Ehemann nie empfunden habe. Ich dachte immer, die Vergewaltigung sei der Grund dafür, aber jetzt wird mir klar, dass das nicht stimmt. Ich schäme mich, habe Gewissensbisse und bin immer noch wütend.
    »May wusste, dass du etwas für mich empfindest«, sagt er schließlich. »Sie hat mich gebeten, dir nichts von uns zu erzählen. Sie wollte dir nicht wehtun. Ich wollte dir auch nicht wehtun. Ich wollte mich einfach nur um May kümmern.«
    »Sie ist ein Schaf«, sage ich bitter. »Alle wollten sich um sie kümmern.«
    Bei unserem letzten Streit sagte May, sie und Z. G. hätten immer darüber gelacht, wie ich mich in seiner Gegenwart benahm. Welche Geschichte soll ich nun glauben? Ich habe den weiten Weg unternommen, um Joy zu finden, doch nun spukt mir die Frage durch den Kopf, ob ich vielleicht mit diesem Mann, den ich über all die Jahre in meinem Herzen trug, noch Liebe finden könnte oder nicht. Sam ist erst sechs Monate tot, aber ist es möglich, dass ich eine zweite Chance verdient habe?
    Moment mal!
    »Was meinst du damit, du wolltest dich um May kümmern ? Du hast sie geschwängert, und dann hast du überhaupt nichts, rein gar nichts unternommen, um ihr zu helfen. Du hast sie in eine arrangierte Ehe ziehen lassen. Du hast die Stadt verlassen. Du …«
    »Sie hat mir nie gesagt, dass sie schwanger ist.«
    Das verblüfft mich. Wie kann das sein?
    »Als du sie gemalt hast und sie« – ich schließe die Augen, um die Erinnerung daran abzuwehren – »und sie nackt war, hast du es da nicht gemerkt?«
    »Hast du es denn gemerkt?«
    »Nein, aber ich habe auch nicht mit ihr geschlafen. Was dachtest du denn, was passiert?«
    »Ich habe nichts gedacht«, gibt er zu. »Ich habe zumindest nicht richtig nachgedacht. Damals war ich von der Bewegung gefangen. Ich war erfüllt von ai kuo – der Liebe für unser Land und das Volk. Ich dachte, ich könnte helfen, China zu verändern. Ich habe nicht genug über ai jen nachgedacht – die Liebe, die ich für May empfunden habe. Wir alle waren jung. Keiner von uns hat über die Konsequenzen von irgendetwas nachgedacht, das wir gemacht haben.«
    Es klingelt an der Tür. Wir wissen, wer es sein wird. Ich streiche mir das Kleid glatt und stecke mir ein paar lose Haarsträhnen in den Knoten. Z. G. reckt die Brust vor und verschränkt die Hände hinter dem Rücken. Wir stehen da wie zwei Statuen, während eines der Dienstmädchen zur Tür eilt.
    Joy saust ins Zimmer, voller Energie, die Wangen rosa gefärbt von der Kälte. Obwohl Februar ist, sehe ich, dass sie der Sonne ausgesetzt war. Sie zieht die Mütze vom Kopf, und ihre schwarzen Haare sind zerzaust und ungekämmt. Seit sie aus Los Angeles weggelaufen ist, hat sie sich nicht mehr die Haare schneiden lassen.
    Joy nimmt Z. G.s mürrischen Blick wahr und sucht nach der Ursache dafür. Ihre feinen Augenbrauen, die hübsche Nase und die vollen Lippen drücken völliges Erstaunen aus, als sie mich sieht. Sie bekommt große Augen, die sogar noch heller leuchten. Doch ich erkenne darin nicht Glück

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