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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Du und Joy weg wart, war er nie mehr derselbe. Ich glaube, er hat aufgegeben, aber Dr. Nevel sagt, ich sollte nicht so denken. »Knochentuberkulose nimmt nie ein glückliches Ende.« Das hat er gesagt. »Außerdem hatte er noch die mentalen Probleme.« Ja, Vern ist geistig immer ein kleiner Junge geblieben, aber er hat nie jemandem etwas zuleide getan. Er war freundlich. Er hat seine Leiden und Schmerzen still ertragen. Und wir wissen beide, wie großzügig er sein konnte.
    In den vergangenen Tagen habe ich mein Leben mit völlig anderen Augen betrachtet. Ich war Vern nie eine gute Ehefrau. Ich war ständig nur weg. Ich habe mich darauf verlassen, dass Du Dich um ihn kümmerst, und das hast Du auch getan, so wie Du Dich um so vieles für mich gekümmert hast. Ich habe nie etwas von Schuldgefühlen oder Reue gehalten. Ich habe es Dir immer übel genommen, wie Du am Unglück festhältst. Doch nun hat es mich eingeholt. Als ich zusah, wie der Bestatter und seine Helfer Vern aus dem Haus trugen …
    Alles, was von meinem Mann noch übrig ist, sind die Gerüche seiner Krankheit, die immer noch im Raum hängen, und ein paar seiner Modellflugzeuge und -boote, die in der schrecklichen Nacht, in der Joy weglief, nicht zu Bruch gingen. Wenn ich daran denke, wie ich mich wegen der Modelle über ihn lustig gemacht habe … Wenn ich daran denke, wie ich es immer Dir und Sam überlassen habe, euch um Verns Windeln, wundgelegene Stellen und den Geruch zu kümmern … Seit Du und Joy weg seid, hatte er nur noch mich und gelegentlich Besuch von den Onkeln und ihren Familien. Ach, Pearl, jetzt verstehe ich, wie es Dir ging, nachdem Sam gestorben war, und er war so viel mehr Mann und Ehemann, als es mein Vern jemals war.
    Ich habe die Bestattungszeremonie für Vern in Deiner Kirche organisiert. Der Pfarrer hieß mich willkommen und äußerte nicht ein einziges Mal Kritik, weil ich nie im Gottesdienst war. Die Frauen – Violet und die anderen – behandelten mich wie ein Mitglied ihrer Gemeinde und nicht wie jemanden, der sich immer wegen ihrer schlechten Kleidung und altmodischen Frisuren über sie lustig gemacht hat. Ich bin allen so dankbar, denn wer hätte Vern sonst ins Jenseits begleitet? Beim Leichenschmaus fanden sich nur wenige ein – nur zwei Tische waren besetzt. Als ich nach Hause kam, habe ich Räucherwerk am Hausaltar angezündet. Ob er im chinesischen Himmel oder in Deinem Himmel ist, ich hoffe jedenfalls, er ist bei Vater Louie, Yen-yen und Sam. Er wird wieder von der Liebe umgeben sein, die er verdient hat.
    Ich versuche mir vorzustellen, wie Du diesen Brief liest. Denkst Du: Was für eine nutzlose, egoistische und ichbezogene Frau meine Schwester doch ist? Das ist alles richtig. Kann ich mich noch ändern, oder ist es zu spät?
    Pearl, auch wenn Du weit weg bist, Du sollst wissen, dass ich jeden Tag an Dich denke. Warum habe ich so lange gebraucht, um zu begreifen, was im Leben wichtig ist? Ich habe mich immer darauf verlassen, dass sich andere um mich kümmern. Jetzt bin ich allein in diesem Haus und in meinem Leben. Bitte komm zurück, Pearl. Bitte. Ich brauche meine Schwester.
    Alles Liebe, May
    Ich weine über all das Leid des Lebens. Ich bete für Vern und hoffe, dass er endlich von den Schmerzen erlöst wurde, die er all die Jahre ertragen musste. Es tut mir weh, wenn ich mir vorstelle, dass er in seinen letzten Tagen nur May um sich hatte. Offenbar hat sie endlich den Mann verstanden, mit dem sie verheiratet war, und begriffen, welch ein guter Mensch er war. Doch Vern? Er muss sie als exotischen Vogel wahrgenommen haben, der spätnachts oder frühmorgens in sein Zimmer gerauscht kam, nur um gleich wieder zu verschwinden. Seine einzigen wirklichen Gefährten waren Sam und ich. Ich mag nicht mehr weinen. Ich mag keinen Kummer mehr empfinden. Ich habe Joy gefunden, aber werde ich jemals wieder Freude im Herzen tragen?
    Ich nehme Papier und Stift zur Hand und schreibe:
    Wir haben uns bemüht, so gut es ging, aber manchmal ist das nicht genug. Vern hat länger gelebt, als seine Ärzte jemals gedacht hätten. Ich wünschte, ich wäre jetzt bei Dir, denn ich verstehe Deinen Schmerz nur zu gut.
    Aus Z. G.s »paar Tagen« werden mehrere Wochen. Ich nehme meine tägliche Routine wieder auf: Ich fahre mit dem Bus zur Arbeit, betrachte den Hafen und sammle Papier. Ich stelle mich in den diversen Läden an, um mit meinen Bezugsscheinen Öl, Fleisch und Reis zu besorgen. Ich nehme mir Zeit, um zu beten, melde mich einmal im

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