Tochter Des Krieges
seinem Herzen? Männer, die zur Ketzerei neigten?
Er blickte in die wachsamen Augen um ihn herum – die meisten der Männer trugen Kettenhemden oder Plattenpanzer, und alle hatten ihre Waffen griffbereit – und stellte fest, dass einer unter ihnen war, der kein Soldat war.
Thomas nickte dem Mann zu, der hinter zwei Soldaten stand.
»Lieber Freund«, sagte Thomas, »es freut mich, dass Ihr hier seid und Euch um das Seelenheil dieser Soldaten kümmert. Aus welcher Gemeinde stammt Ihr?«
Der Geistliche, dessen Gewänder ein wenig unordentlich wirkten, trat vor, damit er direkt mit Thomas sprechen konnte.
»Ich stamme aus London, Mönch. Aber ich kümmere mich um das Seelenheil aller braven Engländer.«
Thomas runzelte die Stirn. Was war das für eine Antwort? Und der Priester hatte keine Tonsur! Sein dunkelbraunes Haar war lang gewachsen und fiel in Locken herab – dieser Mann hatte sich schon monatelang nicht mehr um seine Tonsur gekümmert – und in seinen dunklen Augen leuchtete ein fanatisches Licht, das Thomas augenblicklich missfiel.
»Mein Name ist John Ball«, sagte der Priester und lächelte angesichts von Thomas’ offensichtlichem Unbehagen, »und ich vertrete den wahren Glauben.«
»Was meint Ihr damit?«
»Er meint«, sagte Wat, »dass er sich um unser Seelenheil kümmert und nicht um das Wohlergehen der Kirche. Verstehst du, was ich damit sagen will, Tom?«
»Da gibt es keinen Unterschied«, sagte Thomas und hätte noch mehr gesagt, wenn nicht der gesamte Kreis der Männer in Gelächter ausgebrochen wäre.
»Der Kirche geht es nur um ihr eigenes Wohlergehen, Mönch!«, sagte einer der Männer. »So lange wir unsere Zehnten und die Begräbnissteuern entrichten und Münzen an Feiertagen und für die Dienste des Priesters geben, können unsere Seelen zur Hölle fahren, soweit es die Kirche betrifft.«
»Das ist Frevel! «, sagte Thomas. »Die Kirche ist… «
»Die Kirche ist eine fette, träge Kuh«, sagte ein anderer. »Sie kümmert sich nur um sich selbst und nicht um uns. Ich gebe so viel«, er spuckte in die Mitte des Kreises, »auf Eure römische Kirche.«
»John«, sagte ein anderer Mann, trat näher an den Geistlichen heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter, »ist unser Wohl wichtiger als das der Kirche. Er ist unser Freund und Gefährte. Er spricht zu uns nicht von der Hölle, sondern nur von der Herrlichkeit der Erlösung.«
»Die Kirche bringt Euch Erlösung, nichts und niemand sonst! «, sagte Thomas. Wie weit hatte sich diese Fäulnis schon ausgebreitet?
»Alles, was ein Mann oder eine Frau zur Erlösung braucht«, sagte John Ball ruhig, »ist, Gottes Wort zu kennen, wie es in der Heiligen Schrift niedergelegt wurde. Wir brauchen keine Schar von fetten, juwelenbehangenen Geistlichen, um es uns zu erklären!«
»Das ist Wycliffes Werk! «, sagte Thomas.
»Nein, Tom«, sagte Wat ruhig. »Das sind die Gedankengänge eines jeden freien Mannes. Wycliffe spricht nur aus, was viele ohnehin glauben.«
Mit vor Ärger rotem Gesicht wollte Thomas etwas erwidern, als ihn ein Schrei innehalten ließ.
Alle drehten sich um. Ein Soldat lief auf sie zu.
»Bruder Thomas! Bruder Thomas! «
Der Mann hatte den Kreis erreicht und packte Thomas am Ärmel. »Herzogin Eleonore liegt im Sterben. Sie hat nach Euch gefragt… damit Ihr ihr die Beichte abnehmt… «
Thomas starrte ihn an, dann lief er los, ohne sich noch einmal nach den Männern umzusehen, denn er erinnerte sich an das Gefühl, das er zuvor gehabt hatte, dass irgendjemand ihn brauchte.
»Die Herzogin hätte besser daran getan«, sagte Wat und blickte Thomas hinterher, »nach einer Flasche gutem Branntwein zu verlangen. Dann könnte sie ihre letzten Stunden wenigstens glücklich im Rausch verbringen, anstatt nach einem verfluchten Dominikaner zu rufen, der ihr von nichts als dem Grauen der Hölle erzählen wird.«
Sein Gesicht wurde ausdruckslos, als ihm ein furchtbarer Gedanke kam.
War Meg bei der Herzogin? Oh, süße Meg, wie geht es dir?
Wat Tyler war in seiner Vergangenheit viele merkwürdige Verbindungen eingegangen, doch die seltsamste und geheimste mit jener Frau, die Baron Raby in den letzten Monaten zu seiner Geliebten gemacht hatte.
Margaret war im schmerzhaften Griff von Eleonores Hand gefangen. Wenn die Herzogin sie nicht festgehalten hätte, wäre sie schon längst davongelaufen.
Eleonore verblutete vor ihren Augen.
Sie hatte annähernd zwölf Stunden in den Wehen gelegen, und in dieser Zeit
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