Tochter Des Krieges
achtungsvoll vor dem schwarzen Prinzen, »ich glaube nicht, dass er Euch helfen will, sondern eher, dass er Euch in jeder Hinsicht behindern will.«
Gloucester nickte. »Aus Lancaster und Raby spricht die Vernunft, Eduard. Philipp ist gefährlich… aber schneiden wir uns selbst die Kehle durch, indem wir vorgeben, mit ihm zu verhandeln, oder indem wir sein Angebot ausschlagen und allein nach Paris marschieren? Ein solches Vorgehen wird mit großer Sicherheit dazu führen, dass Philipp sich mit Karl verbündet… und das bedeutet, dass wir uns bei unserem Vormarsch nach Paris einer stärkeren Streitmacht gegenübersehen.«
Eduard seufzte müde und setzte sich. »Wir können immer noch hier überwintern und auf den Frühling warten… «
»Und damit Philipp und Karl Zeit lassen, um ihre Kräfte gegen uns zu stärken«, sagte Lancaster, »ob nun zusammen oder getrennt.«
»Wir dürfen König Johann nicht vergessen«, sagte Bolingbroke. »Wie können wir ihn am besten für unsere Zwecke einsetzen?«
Lancaster lachte trocken und goss sich noch mehr verdünnten Wein ein. »Ich glaube nicht, dass Karl oder Philipp auch nur ein Goldstück für ihren König bezahlen werden. Ich glaube eher, wir haben ihnen einen Gefallen damit getan, dass wir ihn gefangen genommen haben.«
»Vielleicht kann Tom uns bei der Entscheidung helfen«, sagte Raby vorsichtig. »Er hat mit Philipp gesprochen und die Lage im Norden mit eigenen Augen gesehen.«
Es herrschte Schweigen.
»Aber können wir Tom vertrauen?«, fragte Lancaster ruhig, die Augen auf Rabys Gesicht gerichtet.
Er wandte sich Bolingbroke zu. »Du warst einst sein bester Freund, Hal. Was sagst du? Spricht Tom mit der Stimme der Kirche… oder mit einer Stimme, die unsere Interessen vertritt?«
Bolingbroke antwortete nicht sogleich.
»Tom hat sich verändert«, sagte er schließlich und musterte angelegentlich den Teppich vor sich. »Er ist nicht der Mann, der er einmal war… oder vielleicht hat er diesen Mann so tief in sich verborgen, dass er ihn nicht mehr wiederfinden kann. Tom… Tom war einmal ein Mann voller Leidenschaft, Wärme und Fröhlichkeit, natürlich auch voller Stolz und Ungestüm, aber dennoch von großer Sanftheit. Diesen Mann erkenne ich jetzt nicht mehr in ihm. Ich sehe nur noch eine Kathedrale… «
»Was meinst du damit?«, fragte Lancaster.
»Er ist wie ein großes Steingebäude. Kalt und herzlos wiederholt er die Litanei einer Kirche, die über und über mit Sprüchen und Fahnen dekoriert ist, die nichts bedeuten. Und wie alle großen Steingebäude verbirgt Tom etwas… ein machtvolles Geheimnis, das tief in seinen Gewölben versteckt liegt.«
»Er ist ganz überraschend aus Rom abgereist«, sagte der schwarze Prinz und setzte sich in die Nähe des Kohlebeckens. »Und ist durch halb Europa gewandert. Aber warum nur? Es war keine Mission, um die ihn die Kirche gebeten hat… die Tatsache, dass ihn der Ordensgeneral nach England zurückholen lässt, um sich sein Tun erklären zu lassen, zeigt, dass der Orden und die Kirche entschieden unzufrieden mit ihm sind.«
»Und diese angeblichen Erscheinungen des heiligen Michael«, warf Gloucester missmutig ein. »Ich traue keinem Mann, der Erscheinungen hat. Der Herr allein weiß, ob er die Wahrheit spricht… oder was für irrige Vorstellungen diese Erscheinungen ihm wirklich eingegeben haben. Vielleicht hat er zu lange gefastet… «
»Tom sagt uns nichts«, sagte Lancaster. »Und er hat uns nichts darüber erzählt, was er vorhatte. Was verbirgt er vor uns? Warum ist er Rom und dem geregelten Leben seines Ordens entflohen? Das gefällt mir nicht.«
»Wer weiß schon, was in seinem Kopf vorgeht!«, sagte Bolingbroke. »Aber er hat mit Sicherheit ein Geheimnis. Ich halte es für ratsam, ein Auge auf Tom zu haben. Ich würde ihn erst dem Ordensgeneral übergeben, wenn wir herausgefunden haben, was für ein Geheimnis er vor uns verbirgt.«
Lancaster knurrte erneut. »Ich will nur wissen, ob Tom uns über Philipps Pläne und das, was er im Norden gesehen hat, die Wahrheit sagen würde. Der heilige Michael kann von mir aus zur Hölle fahren, wenn er uns nicht sagen kann, was Philipp und Karl vorhaben.«
Bolingbroke lächelte über die ketzerischen Worte seines Vaters. »Ich weiß nicht, ob wir Tom völlig vertrauen können, Vater. Aber ich weiß, dass es besser wäre, wenn wir ihn Thorseby erst überlassen, wenn wir wissen, was für ein Geheimnis sich in den tiefen Gewölben seines Geistes
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