Tochter Des Krieges
er dir gesagt, dass ihr bald alles verlieren werdet, das euch lieb und teuer ist? Dass der Tag des Jüngsten Gerichts nicht ganz das sein wird, was euch eure heiligen Brüder darüber erzählt haben?«
Der schwarze Prinz blickte den Dämon an und dann wieder Thomas. »Was hat das zu bedeuten, Thomas?«
»Was? Ja, was wohl?« Nun wurden sie von einigen Dutzend lachenden und johlenden Dämonen umkreist. »Hat Tom dir nicht erzählt, was geschehen wird, Eduard? Hat er dich darüber im Dunkeln gelassen? Nun, nun, du solltest lieber sichergehen, dass er nicht womöglich auf unserer Seite steht.«
Sie brüllten vor Lachen, und Thomas tastete nach dem blutverkrusteten Beutel, der hinter ihm an seinem Sattel hing. Schließlich hatte er den Knoten der Schnur gelöst, richtete sich in den Steigbügeln auf und warf das schreckliche Bündel mitten unter die Dämonen.
»Nehmt ihn!«, schrie er. »Nehmt den Kopf eures Bruders und lasst uns in Frieden… in Gottes Namen! «
Das Gelächter verstummte mit einem Mal, und einer der Dämonen, der größte von ihnen, hüpfte nahe an Thomas heran. »Gott bedeutet uns nichts«, sagte er. »Gar nichts! Wir wollen die Welt nach unseren Wünschen neu erschaffen, Tom, und dein Gott wird darin keinen Platz mehr haben! «
Er zischte, ließ sich dann auf alle viere hinab und war verschwunden. Thomas und die anderen Männer blickten sich um – die Dämonen waren von der Nacht verschluckt.
Der schwarze Prinz ritt zu Thomas hinüber, beugte sich vor, packte ihn am Gewand und zog sein Gesicht nah an seines heran.
»Wir werden jetzt so schnell wie möglich nach Chauvigny zurückreiten«, presste er zwischen den Zähnen hervor, »selbst wenn es die ganze Nacht dauert. Und wenn wir dort sind, werdet Ihr uns jedes einzelne der verfluchten Geheimnisse verraten, die Ihr uns bis jetzt verschwiegen habt! «
Er schüttelte Thomas noch einmal, ließ ihn dann los und wendete sein Pferd. »Bolingbroke! Ihr werdet für Thomas mit Eurem Leben bürgen. Wenn er zwischen diesem verdammten Flecken Erde und Chauvigny entkommen sollte, werdet Ihr sterben! Das könnt Ihr mir glauben! «
Bolingbroke nickte und wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment hallte die Stimme eines Mannes durch die Dunkelheit und dumpfes Hufgetrappel war zu hören.
Die fünfzig Soldaten, die verschwunden gewesen waren, schlossen sich der kleinen Gruppe des schwarzen Prinzen an. Sie wurden von Wat Tyler angeführt, der bleich und erschöpft wirkte.
»Mein Prinz!«, sagte Tyler. »Wir glaubten schon, wir hätten Euch für immer verloren! «
»Ich bin nicht derjenige«, sagte der schwarze Prinz ruhig, den Blick auf Thomas’ Gesicht gerichtet, »der anscheinend für immer verloren ist.«
Dann sah er zu Tyler hinüber. »Was ist geschehen?«
Tyler zuckte mit den Achseln. »Ein teuflischer Nebel hat uns eingehüllt, und wir haben eine falsche Abzweigung genommen – Sicht und Geräusche wurden vom Dunst verzerrt. Ich schwöre bei Gott, wir wären bestimmt in Paris angelangt, wenn ich den Fehler nicht bemerkt hätte! Es hat eine Weile gedauert, bis wir Euch eingeholt hatten. Stimmt irgendetwas nicht, mein Fürst?«
»Die ganze Welt ist aus den Fugen geraten«, sagte der schwarze Prinz und ritt davon.
Kapitel Neun
Vigil zum Fest der heiligen Katherine
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
(Mittwoch, 24. November 1378)
Der Heimritt zum Lager in Chauvigny war beschwerlich. Die Männer ritten im Galopp und hielten nur alle paar Stunden einmal an, damit ihre Pferde sich ausruhen konnten. Als sie schließlich dort angekommen waren, dämmerte bereits die Morgenröte an der Vigil zum Fest der heiligen Katherine, und Reiter und Pferde stolperten nur noch müde voran. Dennoch wirkte der schwarze Prinz, dessen Gesundheit in den letzten Wochen zu wünschen übrig gelassen hatte, von allen am frischesten, als sie absaßen.
Noch beim Absteigen rief er: »Gebt Lancaster und Raby sofort Bescheid, dass sie in mein Gemach kommen sollen! Tyler – nehmt die drei Soldaten, die sich nicht mit Euch verirrt hatten und sperrt sie irgendwo ein, wo sie nicht mit anderen Männern reden können. Hal, Thomas, Ihr kommt mit mir. Und zwar sofort!«
Lancaster und Raby warteten bereits im Gemach des schwarzen Prinzen.
»Was gibt es für Neuigkeiten?«, fragte Lancaster und ging zu seinem Bruder, um ihn zu begrüßen. »Ihr seid viel eher zurück, als wir erwartet haben. Woran liegt das? Seid ihr mit Philipp ein
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