Tochter Des Krieges
und grinste die anderen über die Schulter hinweg an.
»Ich hätte dich nicht für einen Philosophen gehalten, Hal. Können wir jetzt weiterreiten?«
Hal erwiderte Hotspurs Lächeln, obwohl sein Gesicht nachdenklich blieb, und bald galoppierten die drei durch die vielen Menschen auf dem Platz vor der St. Paul’s Kathedrale. In Cheapside wandten sie sich nach Norden auf die kurze Straße, die durch das Aldersgate auf den freien Platz in der Vorstadt jenseits der Mauern führte, wo oft Märkte und Volksfeste stattfanden. Während sie durch die Straßen ritten, blieben die Menschen stehen, winkten und begrüßten Hal fröhlich.
Thomas ritt näher an ihn heran. »Wenn es nach dem Volk ginge, Hal, würde nicht der schwarze Prinz oder Richard auf den Thron gelangen, sondern du! «
Hal lachte nicht darüber, wie Thomas geglaubt hatte. »Das ist verräterisches Gerede, Thomas. Das hätte ich nicht von dir gedacht.«
»Es war nur ein Scherz«, sagte Thomas, »zwischen Freunden.«
Hal starrte ihn an. »Sind wir denn Freunde, Thomas? Du und ich und Hotspur, wir waren einst unzertrennlich; wir haben gesündigt und gescherzt und zusammen gekämpft. Jetzt… ach, vergib mir. Ich werde rührselig.«
Er wandte den Kopf zur Seite und sein Blick richtete sich nach innen, anstatt über die jubelnden Mengen um ihn herum zu schweifen. »Seit gestern habe ich das schmerzliche Gefühl, dass ein Zeitalter vorübergeht.«
»Wieso?«
Hal antwortete nicht sogleich, sondern winkte nur kurz den Menschen zu. Er wartete, bis sie durch das Tor geritten waren, ehe er weitersprach.
»Seine Majestät, mein Großvater, ist stark gealtert, seit ich ihn vor ein paar Monaten das letzte Mal gesehen habe.«
»Eduard ist ja auch schon alt.«
»Ja. Sein Körper wirkt immer noch kräftig… aber sein Verstand hat nachgelassen. Gestern… gestern während der Begrüßungszeremonie für König Johann hat er gesabbert und vor sich hin gemurmelt, und einige aus dem niederen Adel haben gekichert und sich über ihn lustig gemacht. Mein Vater hat sie später in Ludgate einsperren lassen, trotzdem… «
»Hal.«
Hal zuckte mit den Achseln. »Mein Großvater wird alt und schwachsinnig. Aber er ist immer noch der König, und ich fürchte mich vor dem, was vor uns liegt.«
»Hat dein Vater etwas vom schwarzen Prinzen gehört?«
»Ja. Wir wissen, dass er Bordeaux sicher erreicht hat, mehr aber auch nicht. Mein Vater macht sich immer größere Sorgen. Er wünscht sich jetzt, er hätte meinen Onkel davon überzeugt, nach England zurückzukehren. Mein Gott, Tom, er ist der Thronerbe und eigentlich müsste er hier sein! «
»Kann man ihm keine Botschaft schicken?«
Hal lachte humorlos auf. »Es wurden Tag und Nacht Botschafter ausgesandt, doch vergebens.«
»Hal, es gibt etwas, das du wissen solltest.« Thomas musste sich endlich jemandem anvertrauen… und wenn auch nur, damit noch jemand Augen und Ohren offen hielt, und Hal hatte Zugang zu Personen und Orten, die Thomas verwehrt waren.
Und wem konnte er vertrauen, wenn nicht Hal?
»Ja?«
»Es geht um die Dämonen.«
Hal blickte Thomas prüfend an.
»Ich fürchte, wir haben ihre Kräfte und Fähigkeiten deutlich unterschätzt. Anscheinend…«
»Hal! Tom!« Hotspur hatte sein Pferd schlitternd zum Stehen gebracht, als sie sich Smithfield näherten. »Warum bleibt ihr so weit zurück? Die Spiele haben bereits angefangen!«
Er wies auf ein Feld, auf dem sich Tausende von Londonern drängten und Zelte, Standarten und Banner ein buntes Bild boten. In der Mitte des Feldes wurde für die Ritter bereits unter dem Jubeln und Rufen der Zuschauer ein Turnier abgehalten.
Hal beugte sich vor und berührte Thomas am Arm. »Später, mein Freund. Ich glaube, dies ist nicht die richtige Zeit oder der Ort dafür.«
Als sie an der Tribüne angekommen waren, in der sich Lancasters Gefolge befand, sah Thomas, dass der Herzog und Katherine bereits auf thronähnlichen Sitzen Platz genommen hatten und fröhlich lachten und klatschten.
Einige Schritte hinter Katherine stand Margaret. Sie trug immer noch das zitronengelbe Kleid, doch diesmal einen dunkelblauen Umhang darüber.
Während Thomas zu ihr hinübersah, wurde der Umhang von einem Windstoß geöffnet und ihr hoher Leib enthüllt, und Thomas erinnerte sich einen kurzen, erschreckenden Augenblick lang daran, wie gut es sich angefühlt hatte, Odiles schwangeren Leib an dem seinen zu spüren und wie sie sein Begehren geweckt hatte…
»Thomas«, sagte Hal. »Hör
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