Tochter Des Krieges
um von seinem ältesten anwesenden Sohn, Lancaster, mit einer tiefen Verbeugung und einem Kuss auf die Wange begrüßt zu werden.
Thomas betrachtete den König neugierig. Dies war das erste Mal seit sechs oder sieben Jahren, dass er ihn von Nahem sah. In dieser Zeit schien Eduard um zwanzig Jahre gealtert zu sein. Als Thomas ihn das letzte Mal gesehen hatte – bei einem Ritterturnier in Durham –, war er kräftig, lebhaft und gesund gewesen, trotz seines hohen Alters. Nun war er offensichtlich dem Tode nahe – geistig und vielleicht auch körperlich.
Er war abgemagert, und seine reich mit Edelsteinen und Pelzbesatz verzierten Gewänder hingen völlig formlos an seinem hageren Körper herunter. Sein Gang war unsicher, und Lancaster musste den alten Mann am Arm ergreifen und einen Kammerdiener ablösen, der ihn bis hierher gebracht hatte, um ihn sicher zu seinem Thron auf dem Podest zu geleiten. Sein Haar war schütter, der Bart strähnig und unordentlich und seine gelbe Haut hing so schlaff von Wangen und Kinn herab wie die Gewänder von seinem Körper.
Sein Mund stand offen und entblößte einige schwarze Zähne inmitten von gerötetem Zahnfleisch. Wäre er nicht der König gewesen, hätte man Eduard auf einen Stuhl neben dem Feuer gesetzt und der Obhut einer Kinderfrau überlassen, die achtgab, dass er nicht in die Flammen fiel.
Chaucer warf Thomas und Margaret einen Blick zu.
»Er ist nicht mehr der Mann, der er einst war«, sagte er.
»Wie lange dauert dieser Zustand schon an?«
»Etwa vier oder fünf Monate. Seine Ärzte haben ihn zur Ader gelassen und ihn mit einer Vielzahl von Abführmitteln traktiert, aber sie können seinen Geist nicht von den Gespenstern befreien, die darin hausen.«
Thomas sah zu, wie Lancaster Eduard zum Thron führte und ihn Platz nehmen ließ und sich dann vorbeugte, um kurz mit dem Sohn des schwarzen Prinzen, Richard, zu sprechen, der zur Rechten des Königs saß.
Wenn Eduard unfähig war, zu regieren, der schwarze Prinz in Frankreich weilte und Richard noch zu jung war, bedeutete das, dass nun Lancaster der eigentliche König war.
»Beten wir zu Gott, dass der schwarze Prinz bald zurückkehrt«, sagte Thomas und alle, die sich in seiner Hörweite befanden, murmelten ihre Zustimmung.
»Tyler! «, schrie Raby über den heulenden Wind. »Sattelt das Pferd des Prinzen und ebenso meines und Eures und so viele Destrier, wie wir sicher mit uns führen können.«
»Ja, Herr!«, antwortete Tyler und war schon nach zwei Schritten vom wirbelnden Schnee verschluckt.
Raby stolperte in die Richtung, in der er den schwarzen Prinzen vermutete, und stürzte hin und wieder über Männer, die halb von Schneewehen begraben waren.
Dieser teuflische Sturm soll verflucht sein!, dachte er zum zehnten oder elften Mal, als er wieder auf die Beine gekommen und ein paar Schritte weiter gewankt war. Sie mussten den Prinzen umgehend von hier fortschaffen und dem Rest des Gefolges – denen, die überlebt hatten, denn einige der Männer, über die Raby gestolpert war, waren bereits tot – gestatten, irgendwo Schutz zu suchen.
Er konnte den Prinzen nicht in dieser Kälte erfrieren lassen oder ihn den Klauen der Dämonen überantworten.
Dass er und Tyler den Prinzen allein in Sicherheit brachten, war ein Wagnis, aber Raby war bereit, das Risiko einzugehen. Jeder weitere Mann würde sie nur aufhalten, und Eduards Zustand verlangte nach größtmöglicher Eile.
Außerdem war sich Raby sicher, dass der Sturm nur einen Zweck erfüllen sollte – den schwarzen Prinzen zu töten. Je mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien es ihm, dass der Brief von Johanna eine List gewesen war, um den Prinzen aus der Festung in Bordeaux herauszulocken. Wenn er überlebte, wenn irgendjemand von ihnen überlebte, musste er versuchen herauszufinden, wer der Bote gewesen war, der den Brief überbracht hatte.
Raby kam endlich am Feuer des Prinzen an – das nun nur noch feuchte, graue Asche war –, und im selben Moment erschien erstaunlicherweise auch Tyler mit den Pferden.
»Mein Prinz!« Raby beugte sich vor und rüttelte Eduard an der Schulter.
Er erhielt keine Antwort.
»Eduard!«, schrie Raby, und jetzt endlich regte sich der Prinz und stöhnte.
»Ich habe Stricke, mein Fürst«, sagte Tyler. »Und Decken. Wir müssen ihn auf seinem Pferd festbinden und unsere Reittiere aneinanderseilen, sonst verlieren wir einander in diesem Sturm.«
Raby nickte, erleichtert, dass Tyler so rasch und
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