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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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lassen.«
    Mechthild will sagen, das Kleine sei bereits durch die Taufe gereinigt und man könne noch einige Tage warten, es ins Haus Gottes zu führen, bis es Kräfte gesammelt hat. Aber sie schweigt. Was kann sie schon ausrichten gegen Ursula. Ihr bleibt nichts anderes, als die vierzig Tage im Kindbett zu ertragen und im Gebet um Reinheit im Herzen zu bitten. Und sich darüber zu freuen, dass gerade Hochsommer ist, denn dann muss das Kind wenigstens nicht hinaus in Frost und Schnee.
    »Es ist der Tag der Maria Magdalena«, flüstert Kristin drüben an ihrer Wand so leise, dass sie nur soeben hören können, was sie sagt.
    »Der bußfertigen Maria Tag, dadurch wird es wohl nicht besser«, sagt Ursula und klopft auf die Bettdecke. »Und natürlich muss sie in der steinernen Kirche im Dorf getauft werden.«
    Mechthild lässt sich in die Kissen sinken und schweigt. Sagt sie, was sie denkt, dass die Kapelle des Hofs genauso gut ist und das Kind dann nicht unnötig weit von der Milch seiner Mutter weggebracht werden muss, wird Ursula ihr das übelnehmen. Noch dazu wäre es, als würde man den Teufel geradezu in Versuchung führen, wenn sie so spräche, als glaube sie selber nicht daran, dass das Kind den Weg zur Dorfkirche und zurück überstehen könne.
    Agnes wickelt das Neugeborene aus den Stofflaken und packt es in eine Decke. Sie muss nackt sein, wenn sie ins Wasser des Taufbeckens getaucht wird. Das Taufkleid mit den Perlenstickereien hängt über dem Stuhl am Feuer bereit. Kristin erhält Order, bei Mechthild zu wachen, während sich die Taufprozession zur Kapelle begibt. Kaum ist das Kind aus dem Wöchnerinnenzimmer hinausgetragen worden, bittet Mechthild Kristin, ans Fenster zu gehen und die Prozession zu verfolgen. Das Mädchen stellt sich auf die Steinbank, um besser sehen zu können, und schiebt mit einem Finger, der streng nach Harz und Talg riecht, das Stoffpaneel zur Seite.
    »Wie ist das Wetter?«, fragt Mechthild ungeduldig und atemlos aus ihren Kissen. »Kannst du sie noch sehen?«
    »Es regnet«, antwortet Kristin und atmet die frische Luft, die durch das Fenster hereinströmt, tief ein. Es waren einige unerträglich schwüle Tage zuletzt, Gewitterfliegen in Schwärmen, Gestank von Dung und Mist und stechende Regenbogenbremsen.
    »Regnet es?«, fiept Mechthild wie ein Esel, als ob irgendein Kind jemals durch Regen Schaden genommen hätte, kurz bevor es in das heilige Wasser getaucht werden soll.
    »Nur ein wenig«, antwortet Kristin und sagt nichts von den rußfarbenen Wolken, die sich auf der anderen Seite des südlichen Wachturms und der Küche zusammenziehen. »Jetzt kommen sie.«
    Kristin bemüht sich, die Prozession zu beschreiben, wie sie sich quer über den Hofplatz durch den Regen bewegt. Schwere Tropfen beflecken die steinernen Gebäude, und wenn sie erst den Weg draußen vor dem Tor erreicht haben, wird es nicht lange dauern, und sie werden durch Matsch und Schlamm laufen müssen. Vorneweg gehen Hildebert und Ursula. Wüsste man nicht, dass sie Geschwister sind, man würde es nicht erraten können. So gedrungen Ursula ist, so hoch gewachsen und breit ist Hildebert. Er hat sich daran gewöhnt, den Nacken zu beugen, wenn er mit anderen spricht, und es sieht beinahe so aus, als könne er sich gar nicht mehr zu seiner vollen Größe aufrichten. Er hält das Kind mit einem Arm, als sei es ein Sack, aber das erzählt Kristin Mechthild nicht, die aus ihrem Bett heraus weiter törichte Fragen stellt. So wie sie voranschreiten, langsam und mit ernsten Mienen, gleicht es mehr einer Beerdigung als einer Taufe. Mechthild fragt nach dem Gefolge, nach der Kleidung der Taufpaten, ob Agnes sich in angemessenem Abstand hält und wer von den Knechten und Mägden sich der Prozession angeschlossen hat.
    Kristin kann eine Selbstzufriedenheit in Mechthilds Stimme spüren, als sie den Namen der einen Taufpatin ausspricht. Sophia von Sponheim kam vor der Geburt zu ihnen nach Bermersheim, und es ist nicht unverständlich, dass Mechthild sehr froh über eine Patin von solch hohem Stand ist. Dennoch ist da etwas in ihrem Tonfall, das Kristin irritiert. Sie weiß noch nicht, wen ihr Mann als Taufpaten für ihr Erstgeborenes gewählt hat. Er steht, genau wie Hildebert, im Dienst des Herzogs vonSponheim und hat gute Kontakte zum Hof, ebenso wie Sophias Mann gute Verbindungen hatte, als er noch lebte. Kristin hatte nicht gewagt, ihm vorzuschlagen, sie sollten Sophia ebenfalls um die Gunst bitten. Sie war zu nervös,

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