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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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frisch und süß nach Frucht duftete. Pilze, Zwiebeln, Spinat wurden mit Weizenmehl bestreut, in Öl auf schwachem Feuer gebrutzelt. Auf unseren Tellern lag jeweils eine Papierserviette, auf der das Gebackene serviert wurde. Das Öl wurde dabei von dem Papier aufgesaugt. Zum Gemüse wurden in einer warmen Soße geraspelter Rettich und Ingwer verrührt. Dazu Reis, so viel wir wollten. Das Essen war einfach himmlisch, weil die Fischerdörfer nahe waren und die Leute dieser Gegend dafür bekannt waren, dass sie viel aßen und gerne tranken. Mia erklärte mir, dass der Name » Tempura « aus dem Portugiesischen stammte und sich auf die » Temporada «  – die Fastenzeit  – bezog. Da waren sie wieder, die fiesen Missionare! Ihretwegen waren wir ja schließlich hier, aber zunächst ließen wir es uns schmecken. Mia
hatte wieder einmal recht gehabt. Nach dem Essen ging es mir besser. Die Kopfschmerzen waren nicht verflogen, saßen aber irgendwo im Hinterkopf, wo ich sie mehr oder weniger ignorieren konnte. Wir bestellten statt Kaffee einen Tee, der herb und lebendig schmeckte, ein »wilder Tee«, ganz anders als der zahme grüne Tee, der in Tokio jede Mahlzeit beendete.
    Â»Oh, der Tee ist gut.« Mia leerte ihre Schale in kleinen Schlucken. »Ich bin ganz kribbelig, weißt du? Ich frage mich, ob wir die Schriftrolle wirklich bei Onkel Matsuo finden werden.«
    Â»Du meinst, ob er damit herausrückt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Nein, ich meine, ob sie wirklich existiert. Oder ob Tante Azai das alles nur erfunden hat.«
    Â»Du solltest sie nicht unterschätzen. Es sind wirklich merkwürdige Dinge passiert. Und wenn wir uns beeilen, sind wir vielleicht rechtzeitig am Bahnhof, um den Zug zu erwischen.«
    Wir hatten Glück gehabt und kurzfristig Plätze für die Rückreise am gleichen Abend reservieren können. Am Wochenende waren alle Züge bumsvoll.
    Ich wusste selbst nicht, weshalb ich hier so schnell wieder weg wollte. Das irritierte mich. Ich setzte mit deutscher Nüchternheit hinzu: »Ich glaube, dass ich mich erkältet habe.«
    Â»Kein Wunder, bei dem eisigen Wetter«, meinte Mia.
    Als Hamburger war ich in puncto Klima so einiges gewöhnt, aber irgendwas an dem Wind machte, dass ich bis in die Knochen fror. Ich fühlte mich auch sonst recht wackelig auf den Beinen und hatte nur einen Gedanken: schnell weg von hier!
    Komisch, dass ich so dachte  – war ich doch nicht der Typ,
der an Vorahnungen oder intuitive Warnungen jedweder Art glaubte. Erst viel später kam mir in den Sinn, dass ich etwas gehört oder gesehen haben musste. Ein Zeichen, so unbedeutend, dass ich mich nicht mehr daran erinnern konnte. Zuweilen erfassen die Sinne der Menschen vage Vorzeichen, die er nicht erkennt. Die Schwierigkeit, Intuitionen zu befolgen, besteht darin, dass wir sie nicht mehr erkennen können. Und mein Problem bestand darin, dass ich meinem Verstand vertraute aber meine Intuition in den Wind schlug. Und dass ich nicht besser auf das gehört hatte, was Tante Azai sagte. Denn die alte Dame war eine Tochter des Windes mit ausgeprägtem sechstem Sinn, die Gefahren kommen sah und nur zornig ihre eigene Hilflosigkeit akzeptierte. Weil keiner ihr dabei helfen konnte, am wenigsten ich, der tapsige Gaijin .
    Wir machten uns also auf den Weg zum Onkel, zunächst mit einem Taxi. Nach japanischer Art musste Mia dem Fahrer selbst erklären, wo wir hinwollten, was sie auch tat, indem sie ihm bei jeder Verkehrsampel den Stadtplan unter die Nase hielt. Wir fuhren in Richtung des Hügels, auf dem einst die Burg Aoba gestanden hatte, die der Herr von Sendai, Date Masamune, einst errichtet hatte. Date Masamune, der große Krieger, war einäugig gewesen und hatte eine schwarze Binde getragen. Er hatte sich als Kind verletzt und litt starke Schmerzen. Die Legende sagt, dass er sich als Halbwüchsiger mit einem Messerstoß das kranke Auge entfernt hatte. Donnerwetter, dachte ich, das waren noch Kerle damals! Die Japaner konnten sich auf ihre Samurai etwas einbilden. Selbstherrlich, dominierend, tyrannisch. Aber Helden waren sie alle.
    Von der Burg waren nur noch die Wehrmauern erhalten und ein Schrein, ein Museum und Souvenirläden, das Übliche. Wir gingen um den Hügel mit seinen Kiefern, auf denen der Neuschnee wie kleine Kristalle funkelte, und bogen
in eine ruhige Wohnstraße ein. Hier fand

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