Tod am Chiemsee (German Edition)
Prärie-Indianern
als Pflanzenbrei zum Verbinden von Wunden genutzt wurde.
Wind war aufgekommen, doch er brachte keine Abkühlung. Sie
war auf ihrer abendlichen Runde ins Moor.
Ja, so fühlte es sich an, weil ihre Füße den Boden berührten, so sah
es aus, weil ihr Blick auf den See gerichtet war, aber die alte Kath wusste,
dass sie in Wahrheit träumte. Nass und schwer lag die Decke des Traumes über
ihr, sie konnte von irgendwoher das klagende Miauen einer Katze hören. Etwas
vermischte sich, schob sich facettenartig ineinander wie bei einem Kaleidoskop,
und sie wartete gespannt, was da zum Vorschein kommen würde.
Das Traumgefühl wurde von einer beinahe erdrückenden Schwere
begleitet. Das verhieß normalerweise einen Tod.
Wenn jemand aus freien Stücken aus dem Leben schied, tauchte diese
Seele in einen See von Schmerz; darum beschwor Kath die Menschen, die zu ihr
kamen, durchzuhalten. Der Tod war nicht besser, nichts war besser – nicht in
dieser Welt und auch nicht in einer anderen. Man entkam sich selbst nicht.
Wenn es eine andere Hand war, die getötet hatte, dann geschah es
gelegentlich, dass die ermordete Person ihren Mörder anklagte.
Nicht viele konnten es sehen, aber Kath schon.
In dieser Nacht erschien ihr die tote blonde Frau, um den Hals ein
dünnes Seil, in den Armen einen Eisenblock. Ihre Augen waren rot – Blut lief
von ihrem Kopf, rann ihr in die Augen, machte sie blind.
Gerlinde Dissler. Die alte Kath hatte von ihrer Krankheit gewusst,
aber … »Was soll das bedeuten, Kind? Hast du es getan? – Wenn ja, dann bist du
verloren. Und ich kann nichts für dich tun«, sagte sie.
Die blonde Frau wandte sich halb um, und da sah Kath es erst …
27
Engelwurz (Angelica archangelica)
Standort: Sonnig bis halbschattig; feuchte, nährstoffreiche, tiefgründige Böden.
Geschmack und
Verwendung: Aromatischer Geruch und Geschmack. Beim Umgang mit
der Pflanze ist allerdings Vorsicht angeraten, weil bei Überdosierung und bei
direktem Hautkontakt mit dem frischen Saft Hautreizungen und Lichtdermatitis
auftreten können.
Lukas nahm die Rahmen von der Wand im Büro, einen nach dem
anderen; Bilder in Sepiabrauntönen, die die Familientradition und den Erfolg
der Chiemseewerft dokumentierten. Wenn er nicht aufpasste, würden diese Fotos –
insbesondere eines davon – in Kürze auch ihr Verderben sein.
Friederike Villbrock, die Richterin, raubtierhaft und unbefriedigt,
war nicht in diesem Zimmer gewesen, sie konnte die Bilder nicht gesehen haben.
Bevor sie jemandem auffielen, sollten dort andere Fotos hängen – egal welche.
Lukas hatte genug alte Planzeichnungen und sogar einige von Moritz’
Ideenskizzen, die er einrahmen und aufhängen konnte.
Die Richterin war dabei, Dinge auszugraben, und vielleicht sollte er
sie davon abhalten. Ob er sich wohl dazu durchringen könnte? Na ja, so hässlich
war sie nicht, wenn auch figürlich etwas üppig. Es ihr zu besorgen wäre ein
echter Spaß. Er wollte sie schreien hören, sie sollte nach mehr betteln.
Vielleicht würde er es darauf ankommen lassen.
Nur ein einziges Mal hatte Lukas wirklich gemeint, was er sagte. Ein
einziges Mal war sein Geständnis »Ich habe mich verliebt« aus tiefstem Herzen
gekommen.
Aber Theresa hatte nur Augen für Moritz gehabt, und manchmal glaubte
er sogar, dass sie sich vor ihm, Lukas, gefürchtet hatte. Er hatte dieses
Mädchen so sehr gewollt, dass es wehtat.
In seinem Kopf ging alles durcheinander. Eine Julinacht war es
gewesen, und er war in der Nacht über den See gerudert, hatte das Boot am
Schiffsanleger versteckt und war zum Kloster geschlichen.
Gerlinde war auf seiner Seite, sie hatten abgesprochen, dass sie
eine der Türen zur Küche unverschlossen lassen würde. Was danach geschehen sollte,
dafür müsse er schon selbst sorgen, hatte sie lachend gesagt.
Lukas hatte keinen Plan gehabt, er wollte Theresa bloß nahe sein.
Ihm war egal, ob er sie mit Gewalt nehmen musste, aber Moritz sollte davon
erfahren. O ja, sein Bruder sollte es sich möglichst in allen Einzelheiten
vorstellen. Lukas und Theresa.
Aber sie war nicht auf ihrem Zimmer gewesen, ihr Bett war leer. Da
hatte er gewusst, sie traf sich mit Moritz. Die beiden lagen irgendwo am
Strand, vielleicht auch im warmen Gras, und sein Bruder versenkte grade
stöhnend seinen Schwanz in ihr.
Ihre Augen, die aussahen wie geschmolzene Butter, ihre Haut, die
samten schimmerte wie Libellenflügel – er würde sie ihm nicht lassen, Moritz
sollte sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher